Die Schließung des Schlachtbetriebes in Coesfeld und die laufenden Corona-Untersuchungen sämtlicher Mitarbeiter der NRW-Schlachtunternehmen hat Folgen auch für die Landwirte. Worauf sollten sich Schweinehalter einstellen? Und haben nun auch Direktvermarkter damit zu rechnen, dass die Unterkünfte der Saisonarbeitskräfte schärfer kontrolliert werden? Das und mehr wollten wir von NRW-Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser erfahren.
Wochenblatt: Wie viele Schlachtbetriebe sind von den Testungen betroffen? Wie hoch ist deren wöchentliche Schlachtkapazität an Sauen, Mastschweinen, Bullen, Kühen, Kälbern?
Heinen-Esser: In Nordrhein-Westfalen haben wir rund 35 große Schlachtbetriebe, in denen externe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Schlachtkolonnen beschäftigt sind. In diesen wird allesamt getestet. In den großen Schlachtbetrieben werden pro Jahr rund 600.000 Rinder und 18 Millionen Schweine verarbeitet.
Wenn sich an den anderen Schlachthöfen in NRW die Ergebnisse ähnlich ausfallen und weitere Schlachthöfe geschlossen werden - wird dann neben Toilettenpapier auch das Fleisch in den Supermärkten knapp?
Heinen-Esser: Sowohl Toilettenpapier als auch Fleischerzeugnisse sind derzeit in ausreichendem Maße im Angebot. Die Versorgungssicherheit der Verbraucherinnen und Verbraucher ist nicht gefährdet. Weil die Gastronomie als Hauptabnehmerin in den zurückliegenden Wochen weggebrochen ist, sind die Lager voll.
An den Handel appelliere ich, die aktuelle Situation nicht auszunutzen. Es wäre unangebracht, die Preisschraube noch weiter nach unten zu drehen. Solidarität ist das Gebot der Stunde.
Wochenblatt: Wie ist bei weiteren Schlachthofschließungen der Tierschutz in den Ställen gewährleistet? Für Mastschweine wird es eng in der Bucht, wenn die Übergewichtigen nicht abgeholt werden. Zudem bekommen Ferkelerzeuger massive Platzprobleme, weil jede Woche neue Ferkel geboren werden, die Flatdecks aber nicht leer werden, da die Mäster die 30 kg-Ferkel abbestellen. Platzreserven haben nur die wenigsten Sauenhalter...
Heinen-Esser: Sofern es zu Schlachtengpässen kommen sollte, können insbesondere schlachtreife Schweine nicht mehr wie gewohnt in den betroffenen Betrieben verarbeitet und vermarktet werden. Nach derzeitigem Stand liegen jedoch keine Erkenntnisse vor, dass es bereits zu Schlachtengpässen gekommen ist. Ziel muss es sein, dass temporäre Engpässe von anderen Schlachtbetrieben ausgeglichen werden.
Ganz grundsätzlich und losgelöst von der aktuellen Situation ist den Tierhalterinnen und Tierhaltern jedoch aus Vorsorgegründen zu empfehlen, sich auf kurzzeitige Überbrückungs-Perioden einzustellen und Platzreserven vorzuhalten.
Wochenblatt: Noch eine Frage zu den Direktvermarktern: Hier haben Sie angekündigt, dass die Kontrollen intensiviert werden, ob die Hygienebedingungen unter Corona eigehalten werden. Wird jetzt jeder kleine Hofladen kontrolliert oder gibt es eine Größenschwelle?
Heinen-Esser: Arbeitsminister Karl-Josef Laumann wird landesweit die Unterkünfte von Saisonarbeitern in der Landwirtschaft und Werkvertragsarbeitnehmern in der Fleischindustrie überprüfen lassen. Dies unterstütze ich ausdrücklich. Die Größe des Betriebes oder ob es einen Hofladen gibt, spielt dabei keine Rolle.
Auch wenn es nicht vorgeschrieben ist, befinden sich anders als in Schlachtbetrieben die Unterkünfte von Erntekräften in der Regel auf dem Betriebsgelände. Die Räume dürfen nur halb belegt werden, die Saisonarbeitskräfte in der Zeit der Quarantäne nur in festen Arbeitsgruppen zusammen arbeiten.
Inländische und ausländische Arbeitskräfte tragen dazu bei, dass wir trotz Corona-Krise regionale Vielfalt auf unseren Tellern bewahren. Um dies nicht zu gefährden, sind in allen Betrieben entlang der Lebensmittelkette vom Acker bis zum Handel zwingend die geltenden strengen Hygieneauflagen einzuhalten und sicherzustellen.
Klöckner: "Nicht zu Lasten der Mitarbeiter"
Über die Corona-Fälle in Schlachtbetrieben hat sich die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, heute mit den Verbänden der Fleischwirtschaft ausgetauscht. Im Anschluss gab das Ministerium das folgende Statement der Ministerin an die Öffentlichkeit:
„Schwarze Schafe schaden dem Ansehen der gesamten Branche. Es gibt Regeln, die müssen unbedingt eingehalten und die Einhaltung muss von den zuständigen Behörden kontrolliert werden. Ich erwarte von allen Beteiligten, dass sie sich ihrer Verantwortung gerade auch in der Krise bewusst sind. Denn um die Versorgung sicherzustellen, müssen wir den Betrieb unserer systemrelevanten Ernährungswirtschaft aufrechterhalten. Das darf aber nicht zu Lasten der Mitarbeiter gehen. Die Branche muss Konzepte entwickeln, wie der Betrieb unter den strengen Auflagen des Arbeitsschutzes und Gesundheitsschutzes weiter gehen kann – dieser hat weiterhin oberste Priorität. Denn Tierschutz und Versorgungssicherheit müssen gewährleistet bleiben."