Hanfanbau

Hanf: Ein schlafender Riese?

Der Hanfanbau erlebt eine Renaissance. Das liegt an den vielen Nutzungsmöglichkeiten, den Umweltvorteilen und der einfachen Bestandesführung. Der Anbau ist jedoch streng reglementiert und die Vermarktung erfordert Pioniergeist.

Hanf als Ackerpflanze lässt sich vielfältig nutzen. Er bietet einige pflanzenbauliche und Umweltvorteile. Die Vermarktung der Produkte ist allerdings kein Selbstläufer. Das zeigte der 2. Witzenhäuser Hanftag des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen (LLH) in der vergangenen Woche. Zahlreiche Branchenbeteiligte und Landwirte waren in den Werra-­Meißner-Kreis gekommen, um mit den Referenten sowie mit Erich Gersbeck und Björn Staub vom LLH über Anbau, Wirtschaftlichkeit und Verwertungsmöglichkeiten zu diskutieren. Mit Blick auf die Potenziale und die Wuchshöhe dieser alten, aber jetzt erst langsam wiederentdeckten Kulturpflanze machte in Witzenhausen dabei der Begriff des „schlafenden Riesen“ die Runde.

Die Fruchtfolge erweitern?

LLH-Direktor Andreas Sandhäger verwies beispielsweise auf die Möglichkeit, die Fruchtfolge mit einer Pflanze aufzulockern, die mit relativ wenig Dünger und ohne Herbizideinsatz auskommt. Das macht den Hanf interessant, wenn zukünftig im Ackerbau immer mehr Pflanzenschutz-Wirkstoffe wegfallen sollten oder weitere Bewirtschaftungsauflagen kommen. Dann bräuchten die Landwirte nämlich Anbau­alternativen, die mit unterschiedlichen Bodenverhältnissen ebenso klarkommen wie mit klimatischen Herausforderungen, so Sandhäger. Bislang ist Nutzhanf mit bundesweit etwa 2000 ha Anbau­fläche aber eine Nischen­frucht für engagierte Spezialisten.

Strenge Auflagen

Allerdings war der Hanfanbau hier­zulande auch lange Jahre verboten. Erst seit 1996 dürfen Landwirte unter strengen Auflagen Nutz­hanf aussäen und ernten – aller­dings nur solche Sorten, die weniger als 0,2% des für die Rausch- und Suchtwirkung verantwortlichen Tetra­hydro­cannabinols (THC) enthalten. Bei Verstößen gegen die Anbauauflagen drohen strafrechtliche Konsequenzen, verdeutlichte Britta Koch-Arndt aus dem hessischen Umwelt- und Landwirtschafts­ministerium die Sensibilität des Themas.

Wer Nutzhanf anbauen möchte, sollte also die gesetzlichen Vorgaben beachten. So ist jeder Anbau (auch als Zwischenfrucht) bis zum 1. Juli des Anbaujahres der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) anzuzeigen. Für die Aussaat kommt ausschließlich zertifiziertes Saatgut aus der BLE-Sortenliste infrage. Die bestellten Flächen müssen im jährlichen Flächen­antrag exakt angegeben werden. Der Blühbeginn ist ebenso anzuzeigen wie der beabsichtigte Erntetermin, damit die Behörde gegebenenfalls vorher den THC-­Gehalt kontrollieren kann.

Der eigentliche Anbau des Nutzhanfes gestaltet sich dagegen recht einfach. Die Pflanze ist anspruchslos und robust. Durch eine schnelle Jugendentwicklung werden Unkräuter unterdrückt. Krankheiten und Schädlinge sind nur selten ein Problem. Der im Juli und August blühende Hanf liefert zudem über seine Pollen wertvolle Proteinnahrung für Bienen und andere Insekten. Das ist wichtig, weil es im Sommer an Massenpollentrachten mangelt, erklärte Dr. Reinhold Siede vom LLH-Bieneninstitut.

Für gute Erträge benötigt Hanf vor allem in der Hauptwachstumszeit Mai/Juni jedoch ausreichend Wasser, gab Gewässerschutzberaterin Dr. Christiane Piegholdt zu bedenken. Die Pflanzen bilden tief­reichende Pfahlwurzeln, mit denen sie Stickstoff aus tieferen Erdschichten aufnehmen können. Diese Wurzeln helfen zudem, Bodenverdichtungen aufzulockern.

Breite Produktpalette

Interessant ist die Hanfpflanze aufgrund ihrer vielfältigen Verwertungsmöglichkeiten. Wie Bernd Frank von der Badischen Natur­faseraufbereitung BAFA GmbH erklärte, kann die Pflanze fast komplett verwertet werden:

  • Aus den Samen lässt sich hochwertiges Speiseöl pressen. Das Öl wird überdies für pharmazeutische und kosmetische Produkte verwendet. Die Samen werden aber auch als Vogelfutter genutzt.
  • Das Hanfstroh wird mechanisch in Fasern und Schäben aufgeschlossen. Die Fasern werden zum Beispiel in der Automobilindustrie bei der Herstellung von Türverkleidungen genutzt. Sie sind Bestandteil alternativer Gebäudedämmstoffe oder werden zu Anzuchtmedien für Gemüsepflanzen verarbeitet.
  • Die Schäben, also die holzigen Teile des Hanfs, finden Verwendung als Mulchmaterial, Tiereinstreu oder in der Bauindustrie.

Erfahrungen aus der Praxis

Die Herausforderung besteht indessen in der Vermarktung der Hanfprodukte. „Wer in dieses Segment einsteigt, findet kaum gewohnte Strukturen vor“, erklärte Uwe Roth vom Kreisbauernverband (KBV) Werra-Meißner: Der Landwirt und KBV-Geschäftsführer betreut eine Gruppe von neun Landwirten, die auf mittlerweile 96 ha Nutzhanf anbauen. Im nassen Jahr 2017 war der Samen­ertag mit über 10 dt/ha gut und auch die Preise passten mit mehr als 90 €/dt. Dafür gab es große Schwierigkeiten bei der Hanfstroh­ernte. Im Dürrejahr 2018 war es umgekehrt: Das Stroh konnte bei besten Bedingungen in Großballen gepresst und an die Weiterverarbeiter im fernen Prenzlau geliefert werden. Dafür ließen der Samenertrag mit weniger als 5 dt/ha und die Erlöse mit gut 60 €/dt viele Wünsche offen, weil der Markt gesättigt war. „Jetzt hoffen wir auf ein einigermaßen akzeptables Ergebnis in diesem Jahr“, so Uwe Roth. Dazu wollen die Bauern ihren Teil beitragen und die Strukturen verschlanken. Das betrifft vor allem die Ernte und Aufbereitung sowie das effiziente Pressen und den Weitertransport der Rund­ballen. „Letztlich wollen und müssen die Betriebe mit dem Anbau nämlich Geld verdienen“, gab der Hanf-Pionier aus dem Werra-­Meißner-Kreis die Marschrichtung vor.

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