Handeln statt Milchkrise aussitzen

BDM-Veranstaltung in Südlohn: Auch die erfolgreichsten Betriebe verlieren jetzt an Substanz. Starke Erzeugergemeinschaften sollen Gegengewicht zu Molkereien bilden.

BDM-Veranstaltung in Südlohn: Auch die erfolgreichsten Betriebe verlieren jetzt an Substanz. Starke Erzeugergemeinschaften sollen ein Gegengewicht zu Molkereien bilden.

Trotz aktuell positiver Tendenzen auf dem Milchmarkt ist die Krise längst nicht bewältigt. Josef Assheuer, Referent für Unternehmensführung bei der Landwirtschaftskammer in Münster, sieht die schwersten Monate erst noch auf die Milchbauern zukommen. Denn bis die Erzeugerpreise deutlich anziehen, wird es noch einige Zeit dauern. Das erklärte der Kammerbeamte bei einer Veranstaltung des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) am Mittwochabend in Südlohn (Kreis Borken).

Weniger Betriebe, viel mehr Milch

Schuld an der verfahrenen Situation auf dem Markt sind unter anderem die Landwirte selbst, weil zum Beispiel in Westfalen-Lippe die erzeugte Milchmenge innerhalb von fünf Jahren seit 2010 um rund 14 % gestiegen ist. Dabei nahm im selben Zeitraum die Zahl der Milchviehhalter um 20 % ab! Die größte mengenmäßige Steigerung entfiel dabei auf den Kreis Borken. Tatsache ist aber auch, dass im gerade abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2015/16 nicht einmal die besonders leistungsstarken und erfolgreichen Betriebe ihre Vollkosten werden decken können. Das am wenigsten erfolgreiche Viertel der Milchviehhalter erreicht mindestens seit 2006/07 keine Vollkostendeckung mehr

Assheuer forderte Landwirte und Molkereien zum Handeln auf, um kommenden Krisen vorzubeugen. Eine mögliche Anhebung der Milchpreise um 5 bis 10 Cent/kg im Laufe der kommenden Monate, ausgehend vom jetzigen Niveau, sei kein Grund, wieder zur Tagesordnung überzugehen, ermahnte der Kammerbeamte die rund 100 Zuhörer.

Vertrag statt Andienung

Axel Walterschen von der Milcherzeugergemeinschaft Milch Board kritisierte vehement die gegenwärtigen Lieferbeziehungen zwischen Landwirten und Molkereien. Statt der überkommenen Andienungs- und Abnahmeverpflichtung müssten Verträge her, in denen Liefermenge, Lieferzeitraum und Preis fest vereinbart würden. Unverzichtbar sei – auch bei Lieferung an Genossenschaften –, dass sich die Milchviehhalter in Erzeugergemeinschaften zusammenschlössen, und zwar flächendeckend. Die Politik sieht der Landwirt aus Rheinland-Pfalz in der Verantwortung, für ordentliche Verhältnisse am Milchmarkt zu sorgen, die aber „wehrt sich noch dagegen“.

Elmar Hannen, Milcherzeuger aus dem Kreis Kleve und Vorstandsmitglied im nordrhein-westfälischen BDM-Landesverband, plädierte für die Einführung des BDM-„Marktverantwortungsprogramms“ mit einer flexiblen Mengensteuerung in Krisenzeiten. Das ständige Größenwachstum bringe die Bauern ohnehin nicht weiter. Deshalb müssten auch Lehrer und Berater aufhören, die ihnen anvertrauten Schüler oder Landwirte immer weiter auf Wachstum zu trimmen. ri