Mitunter denken auch Bäuerinnen und Landwirte, die viele Jahre einen Hof gemeinsam bewirtschaftet haben, über eine Trennung nach. Nicht nur menschlich, auch finanziell belastet eine Scheidung die ganze Familie sehr stark. Denn es geht unter anderem um den Vermögensausgleich und Geldzahlungen, die zumeist der Landwirt an seine Exgattin zahlen muss.
Um landwirtschaftliche Betriebe bei einer Scheidung zu schützen, wird ein Hof („Landgut“) nicht nach dem Verkehrswert, sondern dem niedrigeren Ertragswert bewertet. Haben Eheleute im gesetzlichen Güterstand (Zugewinngemeinschaft) gelebt, wird das Anfangs- und Endvermögen der Ehegatten ermittelt. Der so errechnete Zugewinn ist dann zwischen den Eheleuten auszugleichen.
Gutachter wird beauftragt
Doch im Einzelfall sind die Berechnungen kompliziert. Deshalb beauftragt das zuständige Familiengericht (Amtsgericht) in Scheidungsverfahren einen landwirtschaftlichen Sachverständigen, die Ertragswerte und unter Umständen die Verkehrswerte von Betriebsteilen, die nicht direkt zum Hof gehören, zu berechnen.
Auf der Jahrestagung der landwirtschaftlichen Sachverständigen NRW in Werl wies Andreas Hornung, Richter beim 3. Familiensenat des Oberlandesgerichtes (OLG) in Hamm, auf ein neues Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) zur Ertragswertermittlung hin (Beschluss vom 13. April 2016, Az. XII ZB 578/14).
Es ging um diesen Fall: Die Beteiligten hatten am 6. Juli 1984 die Ehe geschlossen. Der Scheidungsantrag war der Bäuerin am 23. November 2010 zugestellt worden. Als der Landwirt 1993 den Aussiedlerhof seiner Eltern übernahm, wurde Milchvieh gehalten und Schweinemast betrieben. Dann stellte der Landwirt um auf Putenzucht und Pensionspferdehaltung. Bei Zustellung des Scheidungsantrages war der Betrieb organisatorisch in die „W. Putenzucht KG“ eingebracht; darin war der Landwirt als Komplementär zu 80 % und sein Sohn als Kommanditist zu 20 % beteiligt.
Nur Zinsen zählen
Der BGH bestätigte die Urteile der Vorinstanzen und sprach der Bäuerin die Hälfte des errechneten Zugewinns von mindestens 250.000 € nebst Zinsen zu. In der Urteilsbegründung weist der BGH darauf hin, dass man im Rahmen der Ertragswertmethode nur auf den jeweiligen Ertrag abstellen könne, nicht aber auf die auf den Betrieb lastenden Schulden zu ihrem Nominalwert. Ferner dürfte man die Erträge aus Pachtflächen nicht ohne Weiteres mit denen gleichsetzen, die auf Eigentumsflächen erwirtschaftet werden.
Als weiteren Leitsatz führt der BGH Folgendes aus: Im Rahmen des § 1376 Abs. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) muss über eine vorsorgliche Ermittlung des Verkehrswertes sichergestellt werden, dass der Verkehrswert, der auch den Nominalwert der Verbindlichkeiten berücksichtigt, niedriger ausfällt als der Ertragswert.
Was bedeutet die BGH-Rechtsprechung für die Betroffenen, die Familiengerichte sowie die vom Gericht beauftragten Sachverständigen? Laut Richter Hornung wird es für Scheidungswillige teurer. Denn der Gutachter muss – falls sich die Eheleute nicht einvernehmlich auf ein Schiedsgutachten verständigen – zunächst die Ertragswerte des Landgutes zu Beginn und Ende der Ehe und zusätzlich die Verkehrswerte zu beiden Stichtagen berechnen. „In komplizierten Scheidungsfällen könnte das Gutachten sogar eine fünfstellige Summe kosten“, hieß es auf der Tagung.
Was sonst noch beachten?
Auf dem Treffen wies Andreas Hornung auf weitere Punkte hin:
- Der Richter beim Familiengericht hält bei Scheidungsverfahren alle Fäden in der Hand. Er erlässt den Beweisbeschluss, den der Gutachter befolgen muss. Der Gutachter darf mit den Parteien nicht verhandeln. Offene Fragen muss er mit dem Richter klären, sonst droht ein Befangenheitsantrag.
- Bei der Wertermittlung sollte der Gutachter die Bilanzen des
- Betriebes der letzten drei bis fünf Jahre heranziehen.
- Nur für die landwirtschaftliche Produktion gelten die Ertragswerte. Für Vermögenswerte, die nicht direkt dem Betrieb dienen, etwa die PV-Anlage auf dem Stalldach, sind die Verkehrswerte beim Vermögensausgleich maßgebend.
- Die Ertragswerte spielen nicht nur in Scheidungsverfahren eine Rolle, sie werden auch im Rahmen von Zuweisungsverfahren nach dem Grundstücksverkehrsgesetz (§2049 BGB) und bei der Berechnung von Pflichtteilsansprüchen der Miterben eines Landgutes herangezogen
Die Landwirtschaftskammer NRW hat 150 Sachverständige und vier Probenehmer öffentlich bestellt und vereidigt. 37 Gutachter wurden 2017 wieder bestellt, 7 haben ihre Tätigkeit meist altersbedingt eingestellt. Fünf Sachverständige hat die Kammer erstmals neu bestellt: Vera Lange-Stanka aus Meerbusch (Sachgebiet Pferdehaltung), Dr. Michael Düe aus Sassenberg (Pferde), Heinrich Feldmann aus Rosendahl (Aufwuchsschäden), Dr. Harald Schüth aus Büren (Bewertung Grundstücke) sowie Marko Wäldchen aus Soest (Baumpflege, Verkehrssicherheit).
Die Liste der Sachverständigen mit ihren Fachgebieten finden Sie hier.
Zuständig für das Sachverständigenwesen bei der Landwirtschaftskammer NRW ist Karsten Naujoks.