Getötetes Kitz kostet 150 €



Ein Milchviehbauer aus Schwerte hatte im vergangenen Sommer eine Wiese mit seinem Schlepper (80 PS) und Kreiselmäher (2 m Schnittbreite) gemäht. Nach der ersten oder zweiten Runde kam eine Anwohnerin aufgeregt auf die Wiese und wies ihn darauf hin, dass ihre Familie am Vorabend ein Reh mit Kitz auf der Fläche gesehen habe.

Der Landwirt versprach, beim Mähen langsam zu fahren und Ausschau zu halten, ob sich im hohen Gras etwas bewegt. Doch er sah aus der Schlepperkabine nichts und mähte die komplette Wiese. Etwas später entdeckte die junge Mutter das getötete Kitz und zeigte den Bauern bei der Polizei an.

Anzeige bei der Polizei

Als Zeugin wies die Anwohnerin darauf hin, dass bereits 2010 etwas Ähnliches auf der Wiese passiert sei. Damals konnte sie ein Kitz während des Mähens noch rechtzeitig aus der Gefahrenzone treiben. Danach aber habe der Landwirt ihre Hilfsangebote und Warnungen ignoriert.

Bundesweites Problem
In Deutschland werden jährlich etwa 1 Mio. Rehkitze geboren. Die Jagdverbände schätzen, dass davon etwa 80.000 den Mähtod sterben. In Österreich geht man von etwa 40.000 getöteten Kitzen aus. Jeder Landwirt ist aus Eigeninte­resse bestrebt, dass keine Tierkadaver in die Silage gelangten, betonte der Anwalt des Beklagten. Denn es bestehe die Gefahr, dass etwa das Milchvieh an Botulismus erkranke und hohe Schäden entstünden.

Nach der Anzeige landete der Fall zuerst beim Staatsanwalt und dann vor dem Amtsgericht. War es ein unvermeidlicher Unfall („bloße Fahrlässigkeit) oder hat der Milchviehalter den Tod des Rehkitzes billigend in Kauf genommen? Diese Frage versuchte die Richterin zu klären.

Welche Aufwand ist zumutbar?

An der Pachtwiese stehen größtenteils Gartenzäune der Hausbesitzer. Beim Verfahren stellten sich viele Fragen:

Hätte der Landwirt seine Fläche mit Flatterbändern sichern müssen, um die Ricke fernzuhalten? Oder vielleicht einen Wildretter am Mähgerät anbauen müssen? Hätte der Landwirt nach der Warnung der Anwohnerin mit fremden Personen die Wiese absuchen müssen? Oder bis zum nächsten Tag warten, bis der Jagdpächter mit Hunden alles abgesucht hätte?

Es ließ sich allerdings nicht klären, welche Mehrkosten in diesen Fällen auf den Landwirt zugekommen wären.

Das Strafverfahren wurde schließlich nach § 153a Strafprozessordnung (StPO) wegen geringer Schuld eingestellt. Den Vorschlag, 150 € an einen Tierschutzverein in Hagen zu zahlen, nahm der Landwirt an.

Der Anwalt des Landwirts wies nach dem Verfahren auf folgendes hin: Es gibt in Deutschland bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage, wie man das Tierschutzgesetz (§ 17, Abs. 1) auslegen muss, wenn ein Rehkitz beim Mähen einer Wiese getötet wird. Das Landgericht Hagen hat einen Einzelfall entschieden. (Az. 45 Ns 93/14) Armin Asbrand