Im Plädoyer fasste Verteidiger Dr. Uwe Vahrenbrink die Straftat seines Mandanten folgendermaßen zusammen: „Es war ein Teufelskreis, der sich verschlimmert hat.“ Das Landgericht Münster verurteilte am Montag dieser Woche den ehemaligen Geschäftsführer der Raiffeisen Saerbeck eG, Reinhard G., zu einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und 250 Stunden gemeinnütziger Arbeit.
Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte Mais in großen Mengen aus Brasilien gekauft hat. Er hat bereits Folgeverträge für den Weiterverkauf abgeschlossen, bevor der Mais geliefert wurde. Dieser kam nie bei der Genossenschaft an. Um den entstandenen Schaden auszugleichen, hat er versucht, einen Direkthandel mit brasilianischen Maisproduzenten aufzubauen. Ähnliche Geschäfte mit Soja hatten in der Vergangenheit Gewinn gebracht. Außerdem hat der 56-Jährige Geld der Genossenschaft in Höhe von 1,6 Mio. € auf sein Privatkonto verbucht, was ihm nicht zustand. Die Summe konnte er aber inzwischen zurückzahlen.
12.500 t Mais per Schiff
Das Landgericht Münster verhandelte seit Mitte November über diesen Fall. Zwischen November 2011 und Januar 2013 sind 567.000 € auf das Konto eines Vertragspartners in Brasilien geflossen. Bei dem ersten Geschäft mit Brasilien sollten 12.500 t Mais mit dem Schiff nach Deutschland gebracht werden. Doch die Lieferung blieb aus. Um den dadurch entstandenen finanziellen Schaden auszugleichen, hat der Angeklagte weitere Geschäfte mit brasilianischen Maishändlern abgeschlossen. Auch hier ist es zu Überweisungen in Höhe von 83.000 € gekommen.
Ohne Aussicht auf eine konkrete Lieferung hat der Angeklagte Verträge für den Weiterverkauf mit Unternehmen in Nürnberg und Belgien abgeschlossen. Doch auch hier kam der Mais nie an. Die Genossenschaft, die zum damaligen Zeitpunkt 128 Mitglieder umfasste, sah sich Schadenersatzansprüchen in Höhe von 900 .000 € ausgesetzt.
Selbstanzeige deckt auf
Bereits zwischen Januar 2007 und Oktober 2012 hat der Angeklagte mehrere Scheckgutschriften auf seinem Privatkonto zulasten der Genossenschaft verbucht. Die Ermittler wurden Anfang des Jahres 2013 durch eine Selbstanzeige auf den Betrug aufmerksam. Unter anderem waren bei einer Prüfung des Genossenschaftskontos Unregelmäßigkeiten entdeckt worden. Es folgten Durchsuchungen, bei denen die Polizeibeamten Beweismaterial sicherstellten und Reinhard G. den Sachverhalt eingestand.
Die Polizei stellte fest, dass der Angeklagte allein verantwortlich für den Einkauf war. Niemand habe den Geldfluss kontrolliert. Somit kam es zu Überweisungen vom Genossenschaftskonto auf das Privatkonto des Angeklagten, zum Teil aber auch wieder zurück.
Der Aufsichtsrat habe sich auf die vorgelegten Geschäftszahlen verlassen, so der Verteidiger. Er hätte den Geschäftsführer nach dem Vier-Augen-Prinzip überwachen müssen, was in diesem Fall nicht funktioniert habe.
Angeklagter voll geständig
Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass er Gewinne für die Genossenschaft erwirtschaften wollte. Wahrscheinlich habe er versucht, die finanziellen Schäden aus der ersten fehlgeschlagenen Lieferung zu kompensieren. Hinzu kamen private Geldsorgen des ehemaligen Geschäftsführers.
Der Angeklagte war vor Gericht voll geständig. Er habe niemanden in sein Vorhaben mit hineinreißen wollen. Daher habe er nicht über die Geschäfte gesprochen. Alle Entscheidungen habe er alleine getroffen, bis kein Geld mehr in der Kasse der Genossenschaft war.
Im Direkteinkauf habe er gute Gewinnchancen gesehen und seinen Handelspartnern in Brasilien vertraut. „Er hat immer gedacht, Verluste durch weitere Geschäfte ausgleichen zu können, ähnlich wie ein Zocker am Neuen Markt“, so der Verteidiger. Doch Reinhard G. sei auch Opfer. Gegen die Vertragspartner, die den Mais nicht geliefert haben, wird wegen Betruges ermittelt.
Die Genossenschaft erholt sich
Anfang 2013 hat sich die Genossenschaft vom langjährigen Geschäftsführer getrennt. Die anfänglichen Schwierigkeiten in den ersten beiden Jahren, nachdem der Betrug aufgeflogen war, hat die Genossenschaft offensichtlich überwunden. Dank des großen Rückhalts der Mitglieder konnte sie sich konsolidieren und ihre Eigenständigkeit wahren.
Zum Erhalt beigetragen hat zusätzlich der Verkauf der Immobilie des Angeklagten. Dadurch konnten 1,1 Mio. € dem Genossenschaftskonto gutgeschrieben werden. Der Schaden von 1,6 Mio. € konnte darüber hinaus durch Zahlungen des 56-Jährigen von rund 800 000 € ausgeglichen werden.
Zu Beginn des Jahres 2017 fusionierte die Genossenschaft mit der benachbarten Raiffeisen-Warengenossenschaft Hembergen zur „Raiffeisen Saerbeck-Hembergen eG“ mit Sitz in Saerbeck.
Zum Abschluss der Verhandlungen gestand der Angeklagte ein: „Ich habe Fehler gemacht und falsche Entscheidungen getroffen. Ich möchte mich in aller Form bei allen Mitgliedern, Kunden, dem Vorstand und dem Aufsichtsrat entschuldigen.“