Schließung von Westfleisch Coesfeld

Gericht nennt Coesfelder Schlachthof "erhebliche Gefahrenquelle"

Corona und die Folgen: Wie ist nach der Schließung vom Freitag der Stand der Dinge bei Westfleisch in Coesfeld?

230 der rund 1200 Mitarbeiter des Westfleisch-Schlachthofes in Coesfeld sind mit dem Corona-Virus infiziert. Das erklärte am heutigen Montagvormittag ein Sprecher des Kreises. Insgesamt sind derzeit rund 1000 Mitarbeiter untersucht worden. Die Tests dauern an.

Der Schlachtbetrieb war – wie berichtet – am Freitag vom Land NRW bzw. vom Kreis Coesfeld vorläufig bis zum 18. Mai geschlossen worden, nachdem bei mehr als 100 Beschäftigte eine Infektion mit dem Corona-Virus nachgewiesen worden war.

Kreis weiter im "Lock down" - Eilantrag gescheitert

Die Zahl der Infizierten im Kreis ist auf derzeit 780 Personen gestiegen. Nach Angaben des Robert-Koch-Institutes erreichte die Zuwachsrate damit den Wert von 95,9 pro 100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen.

Da der entscheidende Wert von 50 pro 100.000 Einwohner überschritten ist, gelten im Kreis Coesfeld bis zum 18. Mai weiterhin die strengeren "Lock-Down"-Regelungen. Lediglich Schulen und Kitas im Kreis sind ausgenommen. Sie konnten am heutigen Montag öffnen.

Über den Wert von 50 pro 100.000 Einwohner liegt der Zuwachs der bundesweit lediglich in den beiden thüringischen Kreisen Greis und Sonneberg. Im Landkreis Rosenheim (Bayern) liegt er dicht darunter.


Nach einer Phase der Erholung steigt seit einigen Tagen im Kreis Coesfeld die Zahl der Infizierten wieder steil an (Grafik mit Stand vom 16. Mai 2020, 16 Uhr). (Bildquelle: Gesundheitsamt Kreis Coesfeld / Screenshot Wochenblatt)

Nachtrag vom 11. Mai 2020, 16 Uhr: Nach Mitteilung des Gesundheitsamtes des Kreises Coesfeld ist die Zahl der Infizierten im Kreis auf 805 gestiegen. Die Zahl der "aktiv Erkrankten" im Kreis lag Ende April noch bei 63 und ist auf aktuell 328 gestiegen.



Landesweite Tests laufen

Mit Hochdruck werden derzeit die geschätzt bis zu 20.000 Beschäftigten aller 35 Schlachthöfe in NRW auf eine mögliche Corona-Infizierung getestet. Das hatten Gesundheitsminister Laumann und Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser am Freitag angekündigt.
Offizielle Ergebnisse von anderen Schlachtbetrieben liegen derzeit nicht vor und werden erst in den kommenden Tagen erwartet.
Einem aktuellen Bericht der Ruhr-Nachrichten zufolge wurden am Westfleisch-Standort in Oer-Erkenschwick (Kreis Recklinghausen) seit Samstag alle 1400 Mitarbeiter getestet. Bei 33 Mitarbeitern sei der Test positiv ausgefallen.

"Erhebliche epidemiologische Gefahrenquelle"

Gegen die Schließung des Betriebes in Coesfeld hatte die Firma Westfleisch noch am Freitag einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Münster eingereicht, war damit aber gescheitert. Am Samstag, 9. Mai, lehnte das Verwaltungsgericht den Eilantrag ab und bestätigte die vom Land NRW angeordnete und vom Kreis durchgeführte befristete Schließung.

Sie sei "nach Aktenlage aller Voraussicht nach rechtmäßig", befand das Gericht, das sich in seinem Urteil unter anderem auf die bereits vorliegenden Ergebnisse der medizinischen Untersuchungen unter den Beschäftigten stützte. Neben den festgestellten Kranken gebe es vermutlich noch eine unbestimmte Anzahl von Personen, die erkrankt seien bzw. andere anstecken könnten, so das Gericht, das den Betrieb in Coesfeld als "eine erhebliche epidemiologischen Gefahrenquelle nicht nur für die eigene Belegschaft" bezeichnete.

Westfleisch hatte – dem Verwaltungsgericht zufolge – seinen Eilantrag hauptsächlich mit wirtschaftlichen Erwägungen begründet. Gegenüber dem staatlichen Anliegen, Leben und Gesundheit der Mitarbeiter und möglicher Kontaktpersonen zu schützen, war das Unternehmen nicht durchgedrungen. Die der Antragstellerin (Westfleisch) drohenden Nachteile seien "rein finanzieller Natur", befand das Verwaltungsgericht Münster.

Westfleisch: "Im ständigen engen Austausch"

Die Firma Westfleisch wollte auf Anfrage des Wochenblattes zu diesen Ausführungen keine Stellung nehmen und verwies auf eine Presseerklärung vom Freitag. Darin hatte das Unternehmen erklärt, sich seiner Verantwortung "vollkommen bewusst" zu sein. Man stehe "mit allen relevanten Behörden im ständigen engen Austausch, um gegebenenfalls weitere Schritte und Maßnahmen zu besprechen".

Landrat Christian Schulze Pellengahr begrüßte die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes "ausdrücklich". Sie bestätige, dass im Kreis Coesfeld der Infektionsschutz "oberste Priorität" sowohl für die Beschäftigten des Betriebes als auch für die Bevölkerung insgesamt habe.

Abstand halten am Zerlegeband?

Als Ursache für die rasche Verbreitung des Corona-Virus hatten Beobachter auf die beengten Wohnverhältnisse der Beschäftigten hingewiesen. Hinzu kommen aber offenbar auch Abläufe im internen Schlachtbetrieb. So hat das Amt für Arbeitsschutz der Bezirksregierung Münster am Freitag, 8. Mai, die Betriebsstätte in Coesfeld kontrolliert und dort unter anderem festgestellt, dass es im Bereich des Zerlegebandes und in den Umkleiden Probleme gebe, den Mindestabstand von 1,50 m einzuhalten. Die zur Verfügung gestellte Schutzmasken seien am Zerlegeband nicht korrekt getragen worden.

Diese Befunde stehen der Presseerklärung des Unternehmens vom Freitag entgegen, nach dem es "im Umgang mit den Betroffenen und unseren weiteren Mitarbeitern die Empfehlungen des Robert- Koch-Instituts" befolge.

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