Genomeditierung: Gentechnikrecht anpassen

Wissenschaftler fordern, moderne Techniken für die Pflanzenzüchtung zu nutzen und genetisch veränderte Organismen im EU-Recht neu zu definieren. Langfristig sei ein „völlig neuer Rechtsrahmen“ nötig.

Ein neues europäisches Gentechnikrecht fordern führende Wissenschaftsvereinigungen in Deutschland. Ziel müsse es sein, die Chancen für die Pflanzenzüchtung zu nutzen, die sich aus neuen molekularen Verfahren der Genomeditierung wie CRISPR-Cas ergeben, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Eigentlich keine GVO

Die Wissenschaftsvereinigungen schlagen eine Neudefinition genetisch veränderter Organismen (GVO) im EU-Gentechnikrecht vor. So dürften genomeditierte Pflanzen nicht als GVO gelten, wenn keine artfremde genetische Information enthalten sei, in Analogie zu Pflanzen, die mit konventionellen Züchtungsmethoden verändert worden seien.

Ebenso sollte es sich nicht um einen GVO handeln, wenn eine Kombination von genetischen Informationen vorliegt, die sich auch auf natürliche Weise oder mit konventionellen Züchtungsmethoden ergeben könnte.

Langfristig sei ein völlig neuer Rechtsrahmen erforderlich. Dieser dürfe bei der Beurteilung von Risiken für Mensch und Umwelt nicht auf die Verfahren abstellen, mit denen neue Sorten erzeugt würden, sondern auf deren neue Merkmale.

Freilandforschung erleichtern

Die Wissenschaftsakademien und die DFG plädieren zudem für eine Erleichterung der Freilandforschung. Dies sei notwendig, etwa um genetische Grundlagen von wichtigen Eigenschaften wie Salz-, Dürre- und Hitzetoleranz besser zu verstehen.

Nach Auffassung der Wissenschaftsakademien und der Leopoldina erschwert die pauschale vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgenommene rechtliche Einstufung aller Organismen, die durch die neuen Züchtungstechniken verändert wurden, als GVO die Erforschung, die Entwicklung und den Anbau verbesserter Nutzpflanzen, die für eine produktive, klimaangepasste und nachhalti­gere Landwirtschaft dringend erforderlich seien. Es bleibe un­berücksichtigt, welche Art der ­genetischen Veränderung im genomeditierten Organismus vorliege. Dieser vorrangig verfahrensbezogene Regelungsansatz sei „rational nicht zu begründen“.

Viele Pflanzen betroffen

Betroffen von der EuGH-Entscheidung aus dem Juli 2018 seien weltweit bereits mehr als 100 bekannte und potenziell marktfähige genom­editierte Nutzpflanzensorten, die Vorteile für Ernährung und Landwirtschaft aufwiesen. Dazu gehörten Sojabohnen mit gesünderen Fettsäuren, glutenreduzierter Weizen, bakterienresistenter Reis, pilzresistente Sorten von Wein, Weizen und Kakao sowie trockentolerantere Sorten von Mais, Weizen und Sojabohnen.

Die Institutionen weisen darauf hin, dass in vielen Ländern außerhalb der Europäischen Union genomeditierte Pflanzen, die keine artfremde genetische Information enthalten, von GVO-bezogenen Regelungen ausgenommen sind. Genomeditierte Pflanzensorten könnten einen Beitrag leisten, Ressourcenprobleme zu lösen und nachhaltige Landwirtschaft zu betreiben, heißt es weiter in der Stellungnahme. Die Erzeugung neuer Sorten mittels Genomeditierung sei außerdem aufgrund geringer Kosten und hoher Effizienz auch für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) nutzbar.

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