Gemischte Gefühle bei Mutterkuhhaltern

Aktuell herrscht eine Krisenstimmung bei den Mutterkuhhaltern: Durch die Blauzungenkrankheit ist die Vermark­tung stark eingeschränkt, das Grundfutter wegen der anhaltenden Trockenheit knapp und die Sorge vor dem Wolf wächst.

Die Mutterkuhhaltung könnte besser laufen. Aktuell prägt das Seuchengeschehen um das Bovine Herpesvirus 1 (BHV1) und die Blauzungenkrankheit (BTV-8) den Markt. Vor allem BTV-8 schränkt das Marktgeschehen zwischen virusfreien und Restriktionsgebieten stark ein. Außerdem plagen die Mutterkuhhalter hohe Produktionskosten durch Futter- und Flächenknappheit. Hinzu kommt die Angst vor dem Wolf. Diese negativen Effekte wirken derzeit auf die Mutterkuhhaltung, erklärte Dr. Josef Dissen, Geschäftsführer des Fleischrinder Herdbuchs Bonn (FHB), am Freitagabend vergangener Woche. Die Brisanz der Themen spiegelte sich in der hohen Nachfrage wider. Rund 250 Mutterkuh­halter kamen zu der Informationsveranstaltung in die Mescheder Bullenhalle.

Problem mit Sperrgebieten

Ausbrüche der Blauzungenkrankheit finden immer gehäuft im Frühjahr und im Herbst statt. Zu diesen Zeiten sind die Gnitzen (Stechmücken) als Virusüberträger vermehrt unterwegs. „Dieses Jahr gibt es allerdings mehr positive Fälle und damit größere Restriktionszonen“, bedauerte Tierarzt Dr. Wilfried Jörgens. Beim Seuchengeschehen 2006 waren Entzündungen der Haut und Schleimhaut normale Symptome der anzeigepflichtigen Tierseuche. Diese führten zu schlechter Futteraufnahme, Lahmheiten und Kälbern, die nicht saufen wollten. Die aktuellen Ausbrüche verlaufen anders: „Positiv getestete Tiere haben in der Regel keine Symptome. Es sind keine direkten klinischen Zeichen erkennbar.“ Trotzdem handele es sich laut Dr. Jörgens noch um BTV mit dem Serotypen 8. Es wird darüber spekuliert, ob sich das Virus verändert hat oder die Tiere bessere Abwehrstoffe entwickelt haben.

Impfung unumgänglich

Seit dem 18. Mai gibt es neue Bestimmungen für das Verbringen von Tieren aus Restriktionsgebieten in virusfreie Gebiete innerhalb Deutschlands. Kälber bis zum Alter von drei Monaten mit Biestmilchfütterung dürfen bei negativer Blutprobe transportiert werden. „Das ist aber für uns Mutterkuhhalter nicht interessant“, erklärte Dr. Jörgens, und weiter: „Wir müssen impfen, um die Absetzer zu vermarkten.“ Von der zehnten Lebenswoche an können Kälber gegen BTV-8 geimpft werden. Eine zweite Impfung muss im Abstand von drei Wochen folgen. Nach 60 Tagen Wartezeit im Anschluss an die Grundimmunisierung sind die Tiere überall frei handelbar. Wiederholungsimpfungen müssen weiterhin einmal jährlich stattfinden. „Besonders wichtig ist, dass die Impfungen vom Tierarzt richtig ins Herkunftssicherungs- und Informationssystem Tier (HIT) eingetragen werden, sonst gilt das Tier als nicht geimpft“, betonte der Tierarzt. „Voraussichtlich werden wir die Tierseuche in Deutschland für mehrere Jahre haben. Wir müssen unsere Vermarktung darauf einstellen“, erklärte der Experte. „Sie müssen jetzt überlegen, was Sie im Herbst mit Ihren Tieren machen wollen.“ Impfstoff gibt es nach Auskunft des Tierarztes genug. Allerdings nur in Flaschen mit 25 Impfdosen. Er riet den Landwirten, sich zusammenzuschließen, da immer nur 25 Impfungen gleichzeitig erhältlich und nur für zwölf Stunden haltbar sind.

Die Impfung ist in den Augen des Fachmanns eine reine Verkaufs- und keine Schutzimpfung, sonst wäre sie Pflicht. Deshalb können die Tierhalter zuerst die Verkaufs­tiere impfen und dann nach und nach weitere Tiere der Herde. Bei einer Impfung im letzten Drittel der Trächtigkeit besteht allerdings die Gefahr, dass die Muttertiere verkalben.

Marktaussichten nicht rosig

Dr. Dissen betonte: „Organisieren Sie die Impfungen. Wir müssen die Tiere mobil machen, sonst gehen Fresser aus anderen Gebieten in die Mastställe.“ Im Herbst gibt es laut Geschäftsführer des FHB keine Auktion in Meschede, wenn es keine geimpften Tiere gibt. Gleichzeitig nahm er den Mutterkuhhaltern die Hoffnung auf gute Fresserpreise: „Kälber und Fresser werden günstiger, warten Sie nicht mit dem Verkauf.“ Die Preise für Schlacht­rinder sind seit Längerem im Keller und der Druck aus dem Ausland wächst. „Besonders das Freihandelsabkommen bereitet uns Sorgen.“ Die Preise für Rindersteaks aus den USA oder Argentinien drücken schon jetzt die Handelspreise. Ein staatliches Tierwohllabel gibt es für Schweine- und Geflügel-, aber nicht für Rindfleisch. „Es wird Rindfleisch vermarktet, nicht Angus oder Limousin.“

Abschließend wünschte Dr. Dissen sich für Mutterkühe mit Kälbern den gleichen Schutz vor dem Wolf wie für andere Tierarten. Das Hauptproblem bei einem Wolfsriss ist, nach Erfahrungen aus Rissen in Niedersachsen, nicht das gerissene Tier, sondern eine Herde, mit der anschließend kein normaler Umgang mehr möglich ist. Er betonte: „Auch Mutterkuhhalter machen Naturschutz zum Nulltarif. Mutterkuhhaltung ist Landwirtschaft mit Wohlfühlaspekt.“

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