Geflügelfleisch mit Stigma

Bevor Geflügel aus einem Vogelgrippe-Sperrbezirk geschlachtet wird, erfolgen umfangreiche Untersuchungen. Trotzdem ist die Vermarktung schwierig. Woran liegt das?

Die Geflügelpest-Verordnung regelt die nötigen Maßnahmen in einem Seuchenfall. Die Umsetzung dieser Vorgaben birgt jedoch Tücken.

Welche das sind, erläuterte Dr. Hermann Seelhorst, Amtsveterinär des Landkreises Cloppenburg, auf der Geflügeltagung der Worlds Poultry Science Association (WPSA) in Hannover in der vergangenen Woche.

Natürliche Grenzen zählen

Unmut könne bei betroffenen Geflügelhaltern das Einrichten eines Sperrbezirkes hervorrufen, weil dieser manchmal über die geforderte 3-km-Zone herausrage. Seelhorst erklärte dazu, dass das Sperrgebiet jedoch anhand natürlicher Grenzen wie Flüsse oder Straßen genau beschrieben werden müsse. Um das zu gewährleisten, müssten Sperrgebiete teilweise auch größer konzipiert werden.

Schlachtgeflügel im Sperrgebiet dürfe mit amtlicher Genehmigung in einem verplombten Fahrzeug direkt zur Schlachtstätte verbracht werden. Vorab sind sowohl eine virologische als auch klinische Untersuchung erforderlich. Bei einem Sperrbezirk mit mehr als 500 000 Tieren, wie er im Gebiet Cloppenburg durchaus üblich sei, stelle dies, so Seelhorst, eine Herausforderung dar. Die Tiere aus dem Sperrbezirk müssten am Ende des Schlachttages geschlachtet werden. Auch in der weiteren Verarbeitung ist stets eine getrennte Lagerung des Fleisches erforderlich. Frisches Fleisch aus dem Sperrgebiet muss mit dem sogenannten „Kreuzinnenstempel“ – einem Kreuz durch den EU-Stempel – gekennzeichnet werden.

Gestattet ist eine Vermarktung lediglich im Inland. Damit sei das Fleisch jedoch stigmatisiert, sagte Seelhorst. Für die Vermarkter sei es zudem schwierig, frisches Fleisch nur im Inland abzusetzen. Auch Nebenprodukte müssen separat behandelt werden. Hitzebehandeltes Fleisch unterliege keinen Beschränkungen. Der Markt dafür sei jedoch eingeschränkt.

Kennzeichnung überholt?

Diese Auflagen führten dazu, dass oftmals nur zögerlich Geflügel aus einem Sperrbezirk geschlachtet würde. Dies stehe einer nützlichen Verringerung der Geflügeldichte im Sperrbezirk entgegen. Ein Vorgreifen bei Hähnchen erhöhe dabei noch die Gefahr eines Viruseintrags. Auch könne schlachtreifes Geflügel nicht unbegrenzt weiter gemästet werden. „Das ist ein Tierschutzproblem“, sagte Seelhorst.

Gemäß einer Vereinbarung in Niedersachsen sei der Kreuzinnenstempel hier inzwischen nicht mehr erforderlich, wenn das frische Fleisch an den deutschen Lebensmittelhandel abgegeben werde. Ein Problem bestehe jedoch weiterhin, wenn die Verarbeitung in einem anderen Bundesland erfolge, so Seelhorst.

„Der Kreuz­innenstempel ist nicht mehr zeitgemäß“, sagte Dr. Christine Bothmann vom Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) in Oldenburg. Es gehe keine Gefahr von diesem Lebensmittel aus. Bothmann rief dazu auf, in „Friedenszeiten“ vo­rausschauende Regelungen für den Transport von Schlachttieren aus betroffenen Gebieten zu treffen. Hier sei auch die Wirtschaft gefordert.

Kein EU-Handel mehr

Schlachtgeflügel aus dem Beobachtungsgebiet dürfe unmittelbar zu einer Schlachtstätte in Deutschland transportiert werden, erläuterte Seelhorst weiter. Einige ostdeutsche Veterinärbehörden verlangten jedoch zusätzliche Untersuchungen. Das Fleisch indes unterliege keinen Auflagen.

Ein Verbringen innerhalb der EU sei jedoch nicht möglich. Seelhorst gab zu bedenken, dass im vergangenen Jahr etwa 28 Mio. Stück Geflügel aus dem Landkreis Cloppenburg in den Niederlanden geschlachtet wurden.
Probleme ergeben sich im Seuchenfall auch beim Transport von Jungputen aus dem Aufzucht- in den Maststall. Hierfür sehe die Geflügelpest-Verordnung keine Ausnahmegenehmigung vor. „Da standen wir vor einem ganz großen Dilemma“, betonte Seelhorst.

Die Aufzuchtställe seien für die Weitermast nicht geeignet, so drohten Überbelegung und sogar Nottötungen. Seelhorst plädierte für eine Verbringungsgenehmigung analog zur Regelung für Legehennen. Diese besagt, dass die Tiere nach virologischer und klinischer Untersuchung in einem verplombten Fahrzeug in einen anderen Bestand im Inland verbracht werden dürfen. Weitere Voraussetzung ist die amtliche Überwachung des Bestimmungsbestandes. Dort müssen die Tiere mindestens 21 Tage bleiben. bw