Für die Bienen war es zu kalt

Seit dem 1. Juni ist meteorologisch Sommer. Zumindest „gefühlt“ ist damit der Frühling 2013 ausgefallen. Das verdeutlicht auch die Situation am Bienenstand, wie Dr. Werner Mühlen vom Bieneninstitut Münster berichtet.

Wochenblatt: Zu spät, zu kalt, zu nass – welches Fazit lässt sich aus Imkersicht zum Frühling 2013 ziehen?

Mühlen: Ja, zu spät, zu kalt und zu nass – die Beschreibung passt! Zwar sind die Bienenvölker relativ gut aus dem Winter gekommen, doch dann hat die lange Kälteperiode ihnen Probleme bereitet. Viele Völker sind verhungert – nicht weil der Imker ihnen zu wenig Futter gegeben hatte, sondern weil die Bienen nicht mehr an ihre Vorräte gelangt sind. Bei der Kälte kann eine ausgekühlte Wabengasse ein unüberwindbares Hindernis darstellen. Zudem haben die Bienen wesentlich mehr Futter zum Wärmen der Brut verbraucht.

Während der wenigen sonnigen Tage haben die Bienen zwar viel sammeln können. Leider blühten jedoch alle Frühjahrsblüher gleichzeitig. Die Fülle an Blüten konnte von den Bienen nicht genutzt werden. Trotz der guten Auswinterung gab es nun zu wenig Bienen für zu viele Blüten.

Bienen verhungern
Vielfach haben die Völker aufgrund des nassen und kühlen Wetters in der Frühtracht nicht zu-, sondern abgenommen und die Bruttätigkeit eingeschränkt.
Imker sollten den Futterzustand ihrer Völker dringend kontrollieren, zum Beispiel durch Wiegen der Völker und/oder einen Blick in den Honigraum, rät Dr. Jens Radtke vom Länderinstitut für Bienenkunde Hohen Neuendorf. Schon das Abheben des Deckels der Magazinbeuten oder ein Blick durch das Fenster von Hinterladern würden einen Eindruck vermitteln. Denn der Besatz der Waben mit Bienen lasse auf die Vorratssituation schließen: keine Bienen, kein Honig. Schließlich hielten sich auf leeren Waben keine Bienen auf. Bei weitgehend leeren Waben sei eine Kontrolle des Brutraumes auf Futtervorrat dringend anzuraten – samt Schwarmkontrolle und Ausschneiden verdeckelter Drohnenbrut. Ein Bienenvolk sollte stets 5 bis 10 kg Futtervorrat haben.

Wochenblatt: Stichwort „Auswinterung“: In der vergangenen Woche wurden erste Zahlen zu den Winterverlusten bei Bienen bekannt. Wie war die Situation in Westfalen-Lippe?

Mühlen: Die Auswinterungsverluste betrugen im Regierungsbezirk (RB) Arnsberg 9,8 %, im RB Münster 10,0 % und im RB Detmold 7,7 %. Das sind sehr geringe Zahlen. Im Durchschnitt beliefen sich die Überwinterungsverluste in Deutschland auf 15,3 % bei bundesweit 7.036 Imkereien, die ihre Zahlen gemeldet haben.

Westfalen-Lippe steht also im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr gut da. Auch in diesem Jahr waren die Verluste dem Befall durch die Varroamilbe anzulasten. Der zweite wichtige Grund für die Winterverluste war das verzögerte und zu kalte Frühjahr.

Wochenblatt: Raps- und Obstblüte waren üppig, doch können die Imker in Anbetracht der „winterlichen“ Temperaturen davon profitieren?


Mühlen: Ja, Raps- und Obstblüte waren zusammen mit Löwenzahn und den anderen Frühblühern sehr üppig. Die Völker konnten nach der langen Kälteperiode endlich aufatmen und die verzögerte Entwicklung kompensieren. Die Imker hofften auf einen besonderen Honig, der reich an Obst, Löwenzahn und Raps hätte sein können.

Auch die Weidenblüte konnte von den Bienen noch genutzt werden. In der folgenden Kälteperiode zehrten die Bienen jedoch stark von dem neuen Honig, sodass nun erste Völker hungern und gefüttert werden müssen.

Folglich werden die Erträge aus der Rapsblüte in diesem Jahr sehr gering ausfallen, in vielen Landesteilen auch aufgrund der kalten Witterung völlig fehlen. Den Imkern bleibt die Hoffnung auf einen sonnigen Sommer mit Honig zum Beispiel aus Edelkastanie, Brombeeren und Linde.

Wochenblatt: Also geringe Aussichten für die Honigernte 2013?

Mühlen: Die Imker werden sich auf eine geringe Honigernte einstellen müssen. Der Honigpreis wird allerdings sicher nicht deutlich steigen, da der meiste Honig immer noch aus dem Ausland importiert wird und deutsche Honige leider immer noch unter den Erstellungskosten vermarktet werden. Nur in der Direktvermarktung kann qualitativ hochwertiger Honig vom Imker mit 4 bis 4,50 € angeboten werden.

Nach wie vor benötigen Natur, Obstbau und Landwirtschaft mehr Bienenvölker, als derzeit gehalten werden. Auch wenn die Zahl der Imker zugenommen hat, ist die Zahl der Bienenvölker weiterhin rückläufig, weil die neu gewonnenen Imker weniger Völker betreuen. Im Mittel werden nur knapp sechs Völker/Imker gehalten. Die Zahl der Bienenvölker ist in den vergangenen 60 Jahren bundesweit um 70 % (!) zurückgegangen. bp