„Einsatz hat sich gelohnt“

Flurbereinigung in Brockhagen: Ein langer Weg

Die Flurbereinigung Brockhagen steht 44 Jahre nach der Einleitung vor Abschluss: Bauern haben besser zugeschnittene Flächen erhalten, alle Grundstücke wurden neu vermessen, Land NRW hat 210 ha für Naturschutz erworben.

Anfang der 1970er-Jahre wollten Landwirte in Brockhagen und Halle-Hörste ihr nasses Grünland dränieren lassen. Damals riet die Landwirtschaftskammer den Bauern, eine Flurbereinigung zu beantragen. Die Feldfluren waren stark zersplittert. Es gab unklare Grenzen mit Wegerechten, die noch vom Ur-Kataster um 1830 stammten. Zudem hatten die Landwirte in Harsewinkel und Versmold bereits gute Erfahrungen mit der Flur­bereinigung gemacht. Deshalb wurde am 13. Oktober 1975 auch die Flurbereinigung für Brockhagen eingeleitet. Die Teilnehmer wählten Gerhard Goldbecker, damals 32 und junger Landwirtschaftsmeister, zu ihrem Vorsitzenden und Heinrich Kienker als Stellvertreter.

Naturschutz machte Druck

Danach aber überschlugen sich die Ereignisse. Der Naturschutz machte Druck. Das Grünland sollte erhalten bleiben, die Grundwasserstände (oft nur 20 bis 40 cm tief) nicht abgesenkt werden. 1982 stellte der Kreis Gütersloh rund 800 ha in der Region unter Naturschutz. Der Leitsatz der alten Flurbereinigung „Unland zu Brotland“ sollte plötzlich nicht mehr gelten.

Doch auch innerhalb der Teilnehmergemeinschaft, erinnert sich Goldbecker, gab es Widerstände. „Viele Kleinbauern meinten, sie müssten Fläche für die Großen abgeben. Das war natürlich nur ein Gerücht, das sich aber lange hielt.“

1984 verkündete der damalige NRW-Landwirtschaftsminister Klaus Matthiesen dann das „Brockhagener Modell“ mit neuen Leitlinien für den Naturschutz. Der Widerstand aber blieb. Mitte der 1980er-Jahre stellte das Amt für Agrar­ordnung Bielefeld insgesamt vier Flurbereinigungsverfahren im Kreis Gütersloh ein, darunter das Verfahren in Brockhagen.

65 Landwirte klagten

Dennoch kehrte danach keine Ruhe ein. 65 Landwirte, die 2600 ha im Verfahren bewirtschafteten, klagten vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW (Flurbereinigungsgericht) gegen den Einstellungsbeschluss. Goldbecker: „Wir empfanden die Einstellung als Vertrauensbruch. In Harsewinkel und Versmold hatte die Flurbereinigung ja auch viel Gutes für die aktiven Landwirte bewirkt.“

Erst 1992 verständigten sich die Parteien vor dem OVG auf einen Vergleich. Er sah vor, dass 66 km Gewässer naturnah und 6 km Wege ausgebaut und alle Grundstücke im Verfahrensgebiet neu vermessen werden sollten. Das Zusammenlegen der Flächen und Flächenkäufe für den Naturschutz sollten auf freiwilliger Basis erfolgen. Goldbecker und seine Vorstandskollegen rangen Düsseldorf aber auch noch ab, dass die Bauern weder einen Flächen- noch einen Geldbeitrag für das Abwicklungsverfahren leisten mussten.

Gespräche am Küchentisch

Danach erstellte das Amt für Agrar­ordnung Bielefeld Abwicklungspläne; vor Ort putzte vor allem Carsten Schröder Klinken. Der Planungsdezernent, heute Pensionär, führte unzählige Gespräche, zumeist am Küchentisch der Bauern, wobei der Erfolg am größten war, wenn die Ehefrau und Kinder teilnahmen. „Der Planer war richtig hartnäckig“, erinnert sich Goldbecker schmunzelnd, „er wurde zur Haustür rausgeworfen und kam zur Seitentür wieder rein.“

Im Dezember 2011 erhielten die Landwirte dann ihre neu zugeschnittenen Flächen. Am Ende gab es nur wenige Widersprüche und zwei Klagen, die vor der Spruchstelle des OVGs Münster zurückgenommen wurden. Nachdem auch der dritte Nachtrag zum Abwicklungsplan rechtskräftig war (2017), begann die Flurbereinigungsbe­hörde (Bezirksregierung Detmold, Dezernat 33), die Grundbücher zu berichtigen und alle Unterlagen

für die Berichtigung des Liegenschaftskatasters ans Katasteramt in Gütersloh abzugeben. Laut Dezernent Hans-Heinrich Hölscher wird die älteste und größte Flurbereinigung NRWs in diesem Herbst mit der Schlussfeststellung beendet.

Nicht jeder Wunsch erfüllt

Während einer Feierstunde im Historischen Museum Schlichte- Carree in Steinhagen ließen Goldbecker und Mitarbeiter der Flurbereinigung die turbulenten Jahre Revue passieren. Die Landwirte im Altkreis Halle, die Kommunen und der Naturschutz, so war zu hören, sind mit den Ergebnissen der Flurbereinigung zufrieden, auch wenn nicht jeder Wunsch erfüllt werden konnte.

Goldbecker leitet die Teilnehmergemeinschaft seit 1975. Der 75-jährige Lohnunternehmer übt viele Ehrenämter aus, er kennt fast jeden Hof in der Region und die Eigenheiten seiner Berufskollegen. Er brachte es so auf den Punkt: „Wir haben unzählige Stunden verhandelt und mussten auch Kröten schlucken. Nicht jeder Landwirt ließ sich zu seinem Glück zwingen. Doch am Ende hat sich der Einsatz für den gesamten Berufsstand gelohnt.“

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