Fleischersatz: Neue Chancen für Erbsen?

Der aktuelle Boom um pflanzliche Alternativen zu Fleisch verunsichert manchen Tierhalter. Gleichzeitig bieten sich aber auch interessante Perspektiven für den Anbau von Erbsen.

Fast jede Woche bringt ein weiteres Unternehmen vegetarische Fleischersatzprodukte auf den Markt. Zum Beispiel will jetzt auch der dänische Fleischkonzern Danish Crown einen pflanzenbasierten Burger-Patty präsentieren. Die Discounter Aldi und Lidl haben bereits eigene Pflanzen-Burger im Sortiment. Und die Rügenwalder Mühle als Marktführer in Deutschland will den Umsatzanteil von Veggie von 34 auf 40 % ausbauen.

Fleischersatz aus Pflanzen

Die Unternehmen eint ein Ziel: Sie wollen von der steigenden Nachfrage nach einer veganen (nur pflanzliche Produkte) bzw. vegetarischen (kein Fleisch) Ernährung profitieren. Sie bieten Fleischersatzprodukte an, die aus Sojabohnen, Erbsen, Roten Beten, Lupinen oder anderen Pflanzen bestehen. Es geht dabei insbesondere um den Ersatz des tierischen Proteins durch pflanzliches Protein. Dafür ist beispielsweise nicht die ganze Erbse nötig, sondern das sogenannte Erbsenproteinisolat. Optisch und geschmacklich sollen die Fleischalternativen dem Original ähneln.

Ins Rollen gebracht hat diese Entwicklung vor allem das amerikanische Unternehmen Beyond Meat. Es bietet in den USA schon seit mehreren Jahren vegetarische Burger-Patties an – und seit einigen Monaten auch in Deutschland. Das hat einen regelrechten Ansturm ausgelöst, der teilweise zu ausverkauften Regalen im Lebensmittelhandel sorgte. Und das, obwohl die Erbsenpatties mit mehr als 20 €/kg zwei- bis dreimal so teuer sind wie die Rindfleischpatties.

Ersatzprodukte sind viel teurer: Hier die Preise tiefgefrorener Burger-Patties im Großhandel (€ je kg). (Bildquelle: Handelsblatt; Bearbeitung: Cirkel)

Auch wenn noch viele Fragen zur Gesundheit und Nachhaltigkeit der Alternativprodukte unbeantwortet sind, dürfte der Boom ­vorerst nicht abbrechen. „Offen ist, ob eine stetige Nachfrage entsteht. Ich sehe durch die verändertem ­Ernährungsgewohnheiten aber durchaus Chancen für den heimischen Leguminosenanbau“, sagt Verena Kämmerling vom Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV).

FH Soest sieht Potenzial

Beyond Meat produziert die Pflanzen-Burger vor allem aus Erbsen. Diese bezieht das Unternehmen aktuell noch aus den USA und Kanada und exportiert die fertig ­produzierten Patties nach Europa. Allerdings kooperiert Beyond ­Meat mit dem niederländischen Fleischlieferanten Zandbergen aus Zoeterwoude. Dort soll ein neues Werk entstehen. „Das bietet die Perspektive, dass sie künftig europäische und auch deutsche Erbsen verarbeiten“, sagt Prof. Dr. Marcus Mergenthaler von der Fachhochschule Südwestfalen in Soest. Er hat deshalb analysiert, welche Potenziale für den Erbsenanbau in Deutschland daraus entstehen. Nach bisherigem Kenntnisstand kommen sowohl Futter- als auch Speiseerbsen infrage.

Mergenthaler hat hochgerechnet, wie viele Erbsen pro Burger-Patty nötig sind. Danach hat er drei Szenarien unterstellt: Jeder Bundesbürger ersetzt vom aktuellen Fleischkonsum von 60 kg pro Jahr entweder 2%, 12,5% oder 40% durch erbsenbasierte Fleischalternativen. Daraus hat Mergenthaler die nötige Erbsenanbaufläche ermittelt.

Ergebnis: Bei einem Anteil von 2% „Erbsenfleisch“ gibt es kaum Effekte. Bei einem Anteil von 12,5% oder 40% würde die aktuelle Erbsenanbaufläche in Deutschland von 70  700 ha auf das Eineinhalbfache bzw. Vierfache steigen. „Auch wenn der Erbsenanteil an der gesamten deutschen Ackerfläche immer noch gering wäre, könnte ein Markt für Erbsen entstehen“, sagt Mergen­thaler.

Mehr über Erbsen wissen

Diese Einschätzung teilt Prof. Dr. Karsten Paditz von der Berufsakademie Sachsen in Dresden. Er geht sogar einen Schritt weiter: „Erbsen könnten künftig in der gesamten Lebensmittelwirtschaft eine größere Rolle spielen. Denn sie können Produkte mit Protein oder Ballaststoffen anreichern oder in einigen Lebensmitteln hochwertige Zutaten wie Weizenmehle ersetzen.“

Dazu müsse aber zunächst eine detaillierte Rohstoffbeschreibung erfolgen. „Das heißt wir müssen genau wissen, welche Eigenschaften und Funktionen die einzelnen Protein- und Stärkefraktionen haben. Vom Weizen kennen wir das, von der Erbse noch nicht“, sagt Paditz. Er sieht noch Forschungsbedarf.

Auch deutsche Erbsen könnten künftig in neue Vermarktungswege fließen: Aus Erbsenproteinisolat lässt sich eine Fleischalternative herstellen. (Bildquelle: Petercord)

Auch der Anbau der Erbsen ist kein Selbstläufer, mahnt Verena Kämmerling vom WLV: „Erbsen eignen sich nicht für jede Region. Am besten sind humose, lehmige Böden ohne Staunässe, aber mit ausreichend Niederschlägen. Beachten müssen Landwirte auch die Stickstoffbindung der Erbsen, vor allem wegen der verschärften Düngeverordnung.“

Bauern müssen profitieren!

Gleichzeitig weist Kämmerling darauf hin, dass es gelingen müsse, eine entsprechende Wertschöpfungskette zu etablieren. „Vermarktung und Verarbeitung müssen möglichst in der Region liegen. Zudem brauchen wir vernünftige Preismodelle bzw. Abnahmeverträge, weil die Erbse nicht so ertragsstabil ist wie andere Marktfrüchte.“

Vollen Zuspruch erhält sie dafür von Marcus Mergenthaler von der FH Soest: „Die Wertschöpfung muss auf den Betrieben bleiben und darf nicht in der Verarbeitung und im Handel verschwinden. Eine Möglichkeit ist die klare Herkunftskennzeichnung.“

Unterdessen breitet sich der Veggietrend aus. Beyond Meat will zusammen mit der Fast-Food-Kette Kentucky Fried Chicken eine pflanzliche Hühnerfleischalternative auf den Markt bringen. Nestlé will aus Pflanzen eine Hackalternative anbieten.

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