Abstocken reicht nicht

Fehlendes Futter: Rinderhalter unter Druck

Milchviehhalter Bernd Nannemann aus dem Landkreis Osnabrück zerbricht sich den Kopf, welche Kuh er noch aussortieren kann. Sein Grundfutter reicht nicht. Dabei hat er bereits 45 ha Mais zugekauft.

Eigentlich stockt Bernd Nanne­mann seine Milchviehherde seit vier Jahren auf. Jetzt überlegt er jeden Tag, welche Kuh er ausselektieren kann, und arbeitet wieder in die entgegengesetzte Richtung.

Der Mais in Bieste, im Landkreis Osnabrück, steht katastrophal. Viele Flächen sind vertrocknet, von Kolben ist auf vielen Flächen nur zu träumen. Den meisten Landwirten fehlen mindestens drei Grasschnitte. Die Rinderhalter sind im zweiten Jahr hart von der Dürre betroffen. Die Reserven sind längst aufgebraucht. Fast alle haben bereits begonnen zu häckseln. So auch Bernd Nannemann.

30 Rinder verkauft

2016 spiegelte Nannemann seinen Boxenlaufstall. Darin finden 200 laktierende Kühe plus Trockensteher und eigener Nachzucht Platz. Bis vor einigen Monaten hatte der Milchviehhalter 190 melkende Kühe. Aktuell zählt er noch 159 Tiere. Rund 30 tragende Rinder und Kühe verkaufte er schweren Herzens ins Ausland. „Ich lag eine Woche jede Nacht wach im Bett und habe mich gefragt, wie ich meine Herde über den Winter bekomme“, so Nannemann. Dann war ihm klar: „Ich muss abstocken.“ Überbelegung kennt Nannemann nicht, also mussten auch gute Kühe den Hof verlassen. Natürlich nicht die besten, aber bei einem Herdenschnitt von 11.500 kg Milch gibt es keine „schlechten“ Kühe. Hinzu kommt, dass Nannemann momentan nur 25% Kuhkälber hat. Deshalb will er seine Rinder eigentlich behalten. Aber wenn Ausländer kommen und gute Preise bieten, lässt er sie gehen. Das Futter ist zu knapp.

Die meisten bisher verkauften Tiere sind nach Belgien, Spanien und Tschechien gegangen. Bis vor Kurzem hatte Nannemann täglich 5400 kg Milch, von den übrig gebliebenen Kühen melkt er nur noch 4400 kg täglich.

In den Hitzewellen hatte er ebenfalls Leistungseinbußen zu verzeichnen. In der ersten Periode rund 750 kg Milch, in der zweiten 450 kg. „Das war schmerzlich, aber die Tiere haben sich wieder gut erholt.“

Futter zukaufen

Trotz drastischem Abstockens kommt der Milchviehhalter mit seinem Futter nicht hin. In normalen Jahren reichen ihm 45 ha Mais aus eigenem Anbau. In diesem Jahr nicht. Nannemann häckselte das erste Mal vor fünf Wochen aus Futternot. Er wollte nicht seinen guten Mais an die Rinder verfüttern. Von 10 ha kamen gerade einmal vier Häckselwagen, das macht ungefähr 7 t/ha Mais.

Vor drei Wochen häckselte er das zweite Mal, immerhin acht Wagen von 8 ha. Insgesamt hat er jetzt 18 ha Mais ohne Kolben im Silo. Kein Futter für seine hochleistenden Milchkühe. Deshalb hat er 45 ha besseren Silomais zugekauft. Ebenfalls schon das zweite Jahr. Abgerechnet wird nach einen Festpreis pro Tonne. Trotz großer Nachfrage will Nannemann sich nicht beschweren: „Der Preis wird bei uns nicht künstlich hochgetrieben. Die Biogasanlagen lassen den Rinderhaltern den Vortritt.“

In den Silos für Grassilage sieht es ebenfalls mau aus. Normalerweise liegen dort um diese Zeit zwei lange Grassilos nebeneinander. Dieses Jahr ist nur eins da. Der erste Schnitt war normal, aber beim zweiten Schnitt erntete Nannemann fast nichts. In anderen Jahren macht er fünf bis sechs Schnitte im Jahr. Als Puffer kauft der Milchviehhalter Gerstenstroh.

Ration aufwerten

Aus Angst vor knappem Futter im Winter bekommen die Jungtiere und Trockensteher eine Ration ohne Grassilage. Gras- sowie gute Maissilage will Nannemann für seine Kühe lassen. Die Ration der Jungtiere besteht neben kolbenloser Maissilage aus Biertreber und gemahlenem Stroh. Genauso ist er auch im vergangenem Jahr gefahren. Seine Tiere sehen mit der Ration gut aus, sie sind rund und haben glänzendes Fell. Milchkühe bekommen 8 kg Biertreber täglich, die Rinder ungefähr 5 kg. Von dem Biertreber bekommt Nannemann jede Woche 27 t im Schlauch. Die Kosten belaufen sich bei 6,10 €/dt. Der Milchviehhalter will dabei gar nicht wissen, wie viel teurer die aktuellen Rationen sind, verglichen mit den Vorjahren: „Ich hab keine andere Möglichkeit, meine Tiere müssen satt werden und Leistung bringen.“ Außerdem kauft der Milchviehhalter Maismehl an der Börse. Damit kann er seine Silagen ebenfalls aufwerten.

Jede Woche verfüttert der Milchviehhalter 27 t Biertreber. (Bildquelle: Schmidtmann)

Trotz der angespannten Futtersituation und der nicht besonders rosigen Lage auf dem Milchmarkt, sieht Nannemann positiv in die Zukunft: „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, lacht er und hofft auf ein besseres nächstes Jahr.

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