Erben in der Land- und Forstwirtschaft

Eine Erbschaft oder Schenkungsteuer ohne Verschonungsregeln wäre für Land- und Forstwirte nicht aus den laufenden Erträgen bezahlbar. Das betonte der Deutsche Bauernverband (DBV) bei der mündlichen Verhandlung zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Erbschaft- und Schenkungsteuer vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Der DBV war als sachverständiger Verband zu der Anhörung geladen und wurde von seinem Vizepräsidenten Norbert Schindler vertreten. Dieser betonte in seinem Eingangsstatement die langfristige Ausrichtung der Land- und Forstwirtschaft. Vorherrschend sei „das Denken in Generationen“. Dem müssten die erbschaftsteuerlichen Regelungen Rechnung tragen.

Im Verlauf der Verhandlung des Ersten Senats spielte der Agrarsektor den Angaben zufolge allerdings keine Rolle. Die kritischen Nachfragen der Richter bezogen sich demnach vorrangig auf die Schonung sehr großer Vermögen bei der Erbschaftsteuer. Möglichweise ist das ein Fingerzeig, dass die Land- und Forstwirtschaft bei der für kommenden Herbst angekündigten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts außen vor bleiben könnte. Dass die Richter das geltende Erbschaftsteuergesetz in Gänze bestätigen, gilt als unwahrscheinlich.

Betrieb muss fortgeführt werden

Der Bundesfinanzhof hatte das oberste Gericht in Karlsruhe angerufen, weil nach seiner Auffassung die Vergünstigungen in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Novelle der Erbschaftsteuer nicht mit dem Grundgesetz in Einklang stehen. Die Verschonungsregeln betreffen den Übergang von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen sowie von Betriebsvermögen und von qualifizierten Anteilen an Kapitalgesellschaften.

Beibehalten wurde in der Novelle von 2009, dass sich die Bewertung von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen an der Fortführung des Betriebes orientiert. Verpachtete Flächen und Betriebe werden bis zu einer Verpachtungsdauer von 15 Jahren in die Verschonungsregelungen einbezogen.

Erbschaftsteuerlich problematisch bleiben allerdings unter Umständen Reinvestitionen von veräußertem Betriebsvermögen sowie Umstrukturierungen landwirtschaftlicher Betriebe, wenn dabei die Grenze zwischen landwirtschaftlichem und gewerblichem Vermögen überschritten wird. Für landwirtschaftliche Wohngebäude gilt ein 15-prozentiger Bewertungsabschlag. Für Wohneigentum müssen Witwen und Witwer sowie Kinder keine Erbschaftsteuer zahlen, wenn das Haus oder die Wohnung mindestens zehn Jahre selbst genutzt wird. Bei Kindern gilt für die Steuerfreiheit zusätzlich die Auflage, dass die Wohnfläche 200 qm nicht übersteigt.

Freibeträge bis 500.000 €
Für Ehegatten wurde der Freibetrag bei der Erbschaftsteuer im Rahmen der Novelle 2009 auf 500.000 €, für Kinder auf 400.000 € und für Enkel auf 200.000 € angehoben. Für Geschwister sowie Neffen und Nichten beträgt der Freibetrag lediglich 20.000 €; jenseits dieser Grenze liegt der Steuersatz bei 30 % bis 50 %.

Zu viele Privilegien?

Der Bundesfinanzhof wertet die Verschonungsregeln bei der Erbschaftsteuer als verfassungswidrige Überprivilegierung. Sie seien nicht durch ausreichende Gemeinwohlgründe gerechtfertigt, stellte der Bundesfinanzhof im Jahr 2012 fest. Es könne nicht unterstellt werden, dass die Erbschaftsteuer typischerweise die Betriebsfortführung gefährde.

Laut Bundesfinanzhof geht es weit über das verfassungsrechtlich Gebotene und Zulässige hinaus, Betriebsvermögen ohne Rücksicht auf den Wert des Erwerbs und die Leistungsfähigkeit des Erwerbers freizustellen, und zwar auch dann, wenn die für eine Erbschaftsteuerzahlung erforderlichen liquiden Mittel vorhanden seien oder gegebenenfalls im Rahmen einer Stundung der Steuer ohne weiteres beschafft werden könnten. Die Steuervergünstigungen führten zusammen mit den Freibeträgen und „den zahlreichen anderen Verschonungen“ dazu, dass bei der Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung die Steuerbefreiung die Regel und die tatsächliche Besteuerung die Ausnahme sei, so der Bundesfinanzhof.

Vielfältige Gemeinwohlgründe

Demgegenüber sieht der Bauernverband die Verschonungsregeln für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen durch vielfältige Gemeinwohlgründe gerechtfertigt. Genannt werden in der Stellungnahme die Versorgungssicherung mit qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln, der Beitrag zum Klima-, Umwelt- und Naturschutz, die Stabilisierung des ländlichen Raums und die Stärkung der dortigen Infrastruktur sowie die Pflege und Erhaltung der Kulturlandschaft.

Aus Sicht des DBV würde eine Erbschaft- und Schenkungsteuer ohne gesonderte Regelungen für die Land- und Forstwirtschaft den Strukturwandel noch erheblich verschärfen. In der Land- und Forstwirtschaft sei es in der Regel nicht möglich, ausreichend finanzielle Vorsorge für den Erbschaft- oder Schenkungssteuerfall zu treffen, gibt der DBV zu bedenken. Sollten sie dennoch dazu gezwungen werden, müssten Land- und Forstwirte seinen Ausführungen zufolge betriebsnotwendiges Vermögen veräußern. Dieses Vermögen, das in der Land- und Forstwirtschaft im Wesentlichen aus Nutzflächen, Wirtschaftsgebäuden und Vieh bestehe, bilde jedoch die Basis für zukünftige Erträge, so dass eine „schonungslose“ Erbschaft- und Schenkungsteuer die Vermögenssubstanz dauerhaft schmälern würde. AgE


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