In den direkt vermarktenden Biobetrieben stellt die Eierproduktion zumeist nur einen von mehreren Betriebszweigen dar. Oftmals leben mehrere Legehennengruppen verschiedenen Alters in überschaubaren Größenordnungen auf dem Betrieb. So wird die kontinuierliche Versorgung des Hofladens mit Eiern über das Jahr gewährleistet. Da Gebäude in landwirtschaftlichen Betrieben nicht im Übermaß verfügbar sind, stellt die künftig von Demeter geforderte Bruderhahnaufzucht „1 Hahn je Henne“ eine große Herausforderung für diese Betriebe dar. Hinzu kommt, dass nicht jeder Eiererzeuger auf die Fleischverarbeitung oder -vermarktung ausgelegt ist. Die Betriebe suchen noch individuell für sich passende Lösungen.
Kooperation zur Aufzucht
Im Spätsommer vergangenen Jahres legte der Aufzuchtbetrieb Südbrock sein Angebot inklusive eingetragenem Markensiegel auf. Mit jedem Legehennenbetrieb, der Junghennen abnimmt, wird ein Kooperationsvertrag für die jeweilige Legeperiode geschlossen.
Der Ablegebetrieb entscheidet sich dabei für die von ihm gewünschte und auf seinen Betrieb passende Form. Ab Ankunft der Biolegehennen und einer Abschlagszahlung für die Aufzucht der Hähne wird ein Zertifikat ausgestellt, und die Eier oder Produkte aus der jeweiligen Herde können mit dem Siegel „Mein Bruderhahn“ ausgelobt werden.
Babette Sauerland, Südbecks Lebenspartnerin, hat das Konzept erstellt. Sie empfiehlt einen Aufschlag in Höhe von 0,01 bis 0,03 €/Ei oder Produkt, entsprechend der Vermarktungsmöglichkeiten. Dieser Aufschlag verbleibt beim Ablegebetrieb und muss nicht abgeführt werden, somit entfallen zusätzliche Verwaltungskosten. Der Aufschlag soll im eigenen Betrieb den Kauf der Bruderhähne oder Bruderhahnprodukte auffangen.
Exakter Mengenabgleich
Für die Transparenz gegenüber abnehmenden Betrieben, Kontrollinstanzen und seinem Verband wurde zusammen mit einem Programmierer eigens ein Programm entwickelt. Ergebnis war ein Berechnungsprogramm, das die verwertbare Schlachtausbeute mit den abgenommenen fertigen Produkten im Glas oder auch in Rohfleischform abgleicht. Dabei wurden variable Parameter eingebracht, zum Beispiel kann bei einem „schlechteren“ Durchgang das Bruderhahngewicht angepasst werden, damit das Programm mit reellen Werten arbeitet. „Wir rechnen aus jedem Produkt den exakten Fleischanteil heraus“, erklärt Sauerland. Auch wird stets die exakte in dem jeweiligen Durchgang erzielte Fleischausbeute zur Verrechnung hinzugezogen. So ist allen Partnern im Verbund eine faire Abwicklung garantiert.
Die teilnehmenden Betriebe können Detailansichten im Betrieb Südbrock abrufen, wo sie im laufenden Legehennendurchgang mit ihren Abnahmemengen stehen. Im Ergebnis wird nachvollziehbar dargestellt, wie viele Bruderhähne der Legehennenbetrieb zum jeweiligen Zeitpunkt abgenommen hat. Es zeichnet sich bereits nach fünf Monaten ab, dass die Produkte so gut in den Hofläden laufen, dass einzelne, kleinere Mobilstallbetreiber ihr Bruderhahnkontingent auf den laufenden Legehennendurchgang längst vollständig abgerufen haben.
Im Moment der „schwarzen Null“ und weiterer Abnahme von Bruderhahnprodukten tritt Phase 2 in Kraft: In diesem Moment schafft der Betrieb Bruderhahn-Abnahmekapazitäten für andere Betriebe, die Legehennen haben, Bruderhahnprodukte aber nicht vermarkten können. Dies hängt von der Lage des Betriebes und seiner eigenen Vermarktungssituation ab, ein fehlender Hofladen oder Verkaufsautomat können hemmende Faktoren sein.
Zusätzlicher Bonus möglich
In Variante 3 werden von einem errechneten Produktionspreis von 5,50 bis 6,00 € pro Bruderhahn zunächst die Kosten (Werbeflyer, Logistik, Erstellung von Nährwerttabellen, Codes usw.) des Systems abgezogen. Der Rest fließt an den Betrieb in Phase 2 als „Rückvergütung.“ Dies ist ein Bonus zusätzlich zum Erlös aus der Aufzucht. Die Bruderhähne müssen nicht zeitgleich mit den Junghennen erworben werden. Die Abnehmer rufen nach Bedarf ab, es besteht lediglich die vertragliche Verpflichtung, die Brüder im laufenden Legehennendurchgang unterzubringen.
Nach Veröffentlichung des neuen Konzeptes explodierte die Nachfrage durch teilnahmewillige Betriebe förmlich. Selbst erste konventionelle Betriebe unterstützen die Idee mit der Abnahme von Bruderhahnprodukten und vermarkten diese in ihren Hofläden. Es gab auch bereits Anfragen vom Biogroßhandel, diese gibt Südbrock an die entsprechenden Partnerbetriebe in der jeweiligen Region weiter. Norbert Südbrock sieht sich hier eher als Vermittler und möchte sein noch junges System nicht durch übermäßige Verwaltungskosten aufblähen.
Für die Schlachtung arbeitet der Aufzüchter mit der regionalen EU-zertifizierten Schlachterei Ardeyer Landhähnchen GmbH & Co. KG zusammen, die Verarbeitung findet im Partnerbetrieb Hofgut Schloss Hamborn statt. Bereits jetzt wurde eine attraktive Palette von Produkten für Hofläden und Lebensmitteleinzelhandel erstellt: Geflügelwurstaufschnitt, Geflügel-Wiener, Hühnerbrühe, Hühnerfrikassee, Grillwürstchen, Frikadellen, Bruderhahn-Bolognese und jüngst kam sogar eine Currywurst hinzu. Wie Babette Sauerland verdeutlicht, gibt es auch viele Förderer des Systems. So loben einige Betriebe die Eier zwar nicht extra aus, beteiligen sich aber an der Vermarktung von Bruderhahnprodukten.
Aufzucht bis zur 18. Woche
Südbrock selbst stützt sein System durch Aufzucht von Bruderhähnen im eigenen Betrieb. Dafür wurde vom Mobilhersteller farmermobil eigens ein Prototyp für 2000 Bruderhähne gebaut. Der Betrieb zieht die Bruderhähne im Mobilstall bis maximal zur 18. Lebenswoche (LW) auf. Diese Entscheidung wurde vor allem vor dem Gesichtspunkt des Tierwohls getroffen, da die Hähne ab der 16. LW in die Geschlechtsreife gelangen. Ab der 18. LW können verstärkte Rangordnungskämpfe zu Verlusten und Verletzungen führen, Letztere wurden an Schlachtkörpern nachgewiesen. Hierbei ist die Herdengröße nach Beobachtungen von Sauerland nicht entscheidend.
Der Betrieb Südbrock befindet sich momentan in intensiver Erfassungs- und Dokumentationsphase der Schlachtausbeute in den verschiedenen Altersstadien, um mit belastbarem Datenmaterial seine Auswertungen für teilnehmende Betriebe und die Marke „Mein Bruderhahn“ weiter zu verfeinern.
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