EFSA: Glyphosat „nicht krebserregend“

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sieht keinen Grund, den Pflanzenschutzmittelwirkstoff Glyphosat als krebserzeugend oder erbgutverändernd für den Menschen einzustufen.

Das geht aus ihrer am vergangenen Donnerstag veröffentlichten Risikobewertung im Zusammenhang mit dem Verfahren zur Wiederzulassung des Totalherbizids hervor.

EFSA widerspricht IARC

„Es ist unwahrscheinlich, dass diese Substanz krebserregend ist“, erklärte der leitende EFSA-Mitarbeiter Jose Tarazona in Brüssel anlässlich der Vorstellung der Ergebnisse, die auf Vorarbeiten des Bundesinstituts für Risikoforschung (BfR) basieren. Innerhalb des zuständigen Ausschusses, der mit Experten aus allen 28 Mitgliedstaaten besetzt ist, schloss sich lediglich ein Vertreter Schwedens dieser Mehrheitsmeinung nicht an.

Damit widerspricht die EFSA der Internationalen Krebsforschungsagentur (IARC), die den Wirkstoff im März als „wahrscheinlich krebserregend für Menschen“ klassifiziert hatte. Laut Tarazona wurden von der Behörde zusätzliche Studien berücksichtigt, darunter sechs besonders wichtige Untersuchungen, zu deren Durchführung die Hersteller verpflichtet waren und die der IARC nicht vorgelegen hätten.

Dessen ungeachtet hält die EFSA den Forschungsfortschritt, der seit der vorangegangenen Zulassung im Jahr 2002 gemacht wurde, für ausreichend, um möglichen Gesundheitsschäden durch eine übermäßige kurzzeitige Exposition gegenüber dem Stoff Rechnung zu tragen. Dazu wurde für Glyphosat erstmals eine Substanzmenge pro Kilogramm Körpergewicht festgelegt, die über die Nahrung mit einer Mahlzeit oder innerhalb eines Tages ohne erkennbares Risiko für den Verbraucher aufgenommen werden kann.

Diese sogenannte akute Referenzdosis beträgt 0,5 mg/kg Körpergewicht. Darauf aufbauend bestimmte die EFSA ferner eine zulässige Tagesdosis (ADI) für Verbraucher von ebenfalls 0,5 mg/kg Körpergewicht sowie eine annehmbare Anwenderexposition von 0,1 mg/kg Körpergewicht.

„Geschönt von Anfang an“

Bei Glyphosat-Kritikern sorgte das EFSA-Gutachten für Ärger. Vor allem Umweltverbände und Grünen-Politiker sprachen von einer Verharmlosung der Risiken und ziehen weiter die Einschätzung der IARC als Messlatte heran.

Während der Agrarsprecher der Grünen im Europaparlament, Martin Häusling, der EFSA und dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vorwarf, sie hätten das Verfahren „geschönt von Anfang an“, bescheinigte seine Parteikollegin Maria Heubuch der EFSA, sie übernehme „die industriefreundliche Haltung des BfR kritiklos“.

Endgültige Klärung nötig

Für die Agrar­expertin der Linksfraktion, Dr. Kirsten Tackmann, zeigt der ganze Prozess, „wie wenig das aktuelle Zulassungssystem in der Europäischen Union geeignet ist, Risiken zu klären und zu vermeiden“. Die Kritik, dass das BfR wichtige Hinweise der Krebsforscher der IARC falsch bewertet habe, sei nicht ausgeräumt.

Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus forderte „eine ganz eindeutige Stellungnahme des Bundes“, um der Verunsicherung bei Landwirten und Verbrauchern zu begegnen. Zugelassene Pflanzenschutzmittel wie Glyphosat müssten fach- und sachgerecht in der richtigen Dosierung angewendet werden. „Nun brauchen wir rasch eine endgültige, wissensbasierte Klärung, wie es mit Glyphosat weitergehen soll, damit diese ideologisch aufgeladenen Diskussionen versachlicht und gelöst werden“, so der SPD-Politiker.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND) griff die EFSA mit aller Schärfe an. Die Behörde lege in dieser Angelegenheit „eine unglaubliche Ignoranz“ an den Tag. Würde Glyphosat verboten, wäre die industrialisierte Landwirtschaft, die ohne den massiven Einsatz von Spritzmitteln nicht auskommt, grundsätzlich infrage gestellt.

Stichtag 30. Juni 2016

Die Arbeitsgemeinschaft Glyphosat, ein Zusammenschluss von Unternehmen der Pflanzenschutzindustrie, begrüßte dagegen das Gutachten. „Wir freuen uns, dass die beteiligten Bewertungsbehörden sich die nötige Zeit nehmen konnten, um den Wirkstoff Glyphosat umfänglich neu zu bewerten und sehen uns durch das Ergebnis erneut bestätigt.“

Die Europäische Kommission hat jetzt darüber zu entscheiden, ob sie auf Grundlage des EFSA-Gutachtens die Wiederzulassung von Glyphosat formell vorschlagen wird. Dazu hat sie theoretisch bis Ende Juni 2016 Zeit. AgE


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