Eberfleisch bald in aller Munde?

Echte Kerle statt Kastraten – unter diesem Motto veranstaltete die Organisation „ProVieh – Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.“ in der vergangenen Woche ein Eberfleisch-Probeessen für Medienvertreter.

Dabei zeigte sich, dass sich das Fleisch von unkastrierten männlichen Schweinen durchaus zu Steaks, Koteletts oder Schnitzeln verarbeiten ließ, ohne dass es zu ernsten Geruchs- oder Geschmacksbeeinträchtigungen kam, obwohl eine Teilmenge des verkosteten Eberfleisches nach ProVieh-Angaben nach der Schlachtung „leicht geruchsauffällig“ war.

Die Verwertbarkeit des Fleisches überrascht jedoch nicht wirklich. Schließlich war es von den amtlichen Fleischuntersuchern am Schlachthof als genusstauglich eingestuft worden und damit uneingeschränkt verkehrsfähig.

Eberfleisch als Regelfall?

Die Sorge, Eberfleisch könne beim Verbraucher zu Naserümpfen führen, sei jedenfalls unbegründet und dem Verzicht auf die Ferkelkastration steht nichts mehr im Weg, so die Schlussfolgerung von ProVieh. Nach dem Willen der Tierschützer von ProVieh ist es daher an der Zeit, dass Jungeber- anstelle von Kastratenfleisch künftig zum Regelfall wird Und das lieber heute als morgen, damit den Ferkeln der Schmerz der Kastration erspart bleibt. ProVieh favorisiert hier übrigens die Ebermast ohne hormonelle Eingriffe – die sogenannte Immunokastration per Spritze wird abgelehnt.

Bei ihrem Vorhaben sucht die Tierschutzorganisation den Dialog mit den Beteiligten. Nach Aussage von Geschäftsführer Stefan Johnigk sieht man in den Landwirten eher Verbündete als Gegner. Gleichzeitig warnt man die „Bremser“ und „Verzögerer“ in der Branche. Eine neue Kampagnenwelle werde in Kürze durch Deutschland rollen, der Lebensmitteleinzelhandel sei bereits gewarnt, so ProVieh. Mehr Tierschutz sei machbar – man müsse es nur wollen.

Im Prinzip kann und will sich die Landwirtschaft dem Wechsel auf Dauer nicht verschließen. Allerdings sind rund um die von ProVieh favorisierte Ebermast aus Sicht vieler Landwirte nach wie einige Fragen ungeklärt.

  • Beispielsweise haben bislang erst wenige Betriebe Erfahrungen zur Fütterung und zum Management in der Ebermast gesammelt. Hier könnten die Beratungsorganisationen allerdings relativ schnell weiterhelfen, denn seit die QS-GmbH sich des Themas koordinierend angenommen hat, laufen umfangreiche Forschungsarbeiten zu diesem Thema.

  • Problematischer gestaltet sich die sichere Erkennung von „Geruchs-abweichlern“ am Schlachtband. Einzelne Schlachtunternehmen haben zwar Verfahren entwickelt, um zu verhindern, dass unangenehm riechendes Fleisch beim Verbraucher landet. Die vielzitierte „elektronische Nase“ lässt aber nach wie vor auf sich warten.

  • Inwieweit der Aspekt „Stress vor und während der Schlachung“ entscheidend für das Auftreten von Geruchsabweichler ist – wie ProVieh behauptet – muss noch näher untersucht werden.

  • Ein ganz wichtiger Punkt aus Sicht der Schweinehalter ist zudem die Frage nach der Bezahlung der Eberschlachtkörper. Zum Einen sind die derzeitigen Klassifizierungssysteme nicht für die objektive Beurteilung solcher Schlachtkörper zugelassen. Zum Zweiten – und das ist für die Praktiker vielleicht noch wichtiger – müssen vor dem breiten Einstieg in die Jungebermast verbindliche Systeme zur Bezahlung der etwaigen „Geruchsabweichler“ entwickelt werden. Diese Fälle wird es geben, auch wenn hier sehr unterschiedliche die Häufigkeiten diskutiert werden. Diese Problematik haben auch die Akteure von ProVieh erkannt und eine Fondslösung vorgeschlagen, aus der solche Problemfälle bezahlt würden.

Trotzdem macht man es sich zu einfach, wenn man den Schweinehaltern die Ebermast „verordnet“. Wer die Landwirte gewinnen will, muss sie mit guten Argumenten überzeugen und die Basis „mitnehmen“. Die Schweinehalter können keiner Lösung zustimmen, bei der sie das Risiko genussuntauglicher „Stinker“ allein tragen müssen. Hier sind klare und faire Regelungen nötig. Vor allem wird man den seit Jahren auf Billigangebote getrimmten deutschen Verbrauchern klar machen müssen, dass es einen Systemwechsel nicht zu Nulltarif geben kann. Hierin besteht die eigentliche Herausforderung. Diese unangenehme Botschaft mag jedoch offenbar so recht keiner überbringen. Wal