Die Situation am Milchmarkt ist schwierig: Einige Molkereien rufen ihre Mitglieder dazu auf, die Milchmenge so schnell wie möglich drosseln. Die Vermarktungs- und Verwertungsmöglichkeiten von Milch ändern sich: Die Absätze in Gastronomie und Export leiden, die Nachfrage in privaten Haushalten bleibt hoch. Die Kurse für Rohmilch an der Warenterminbörse sind von April bis Dezember stark gefallen.
Menge drastisch reduzieren
Zuerst schickte Privatmolkerei Naarmann ein Rundschreiben an ihre Lieferanten mit der Aufforderung die Milchmenge zu reduzieren (wie bereits berichtet). Im gleichen Zuge teilte die Molkerei mit, dass das Milchgeld für April um 1,5 Cent/kg sinke. Naarmann sei auf Foodservice und Gastronomie spezialisiert und von der Corona-Krise besonders hart betroffen. Durch die Schließungen vieler Großhandelskunden habe die Privatmolkerie große Teile des Sahneabsatzes sowie von 5 und 10 l-Gebinden verloren.
Einen Tag später dann die Nachricht der Schwälbchen-Molkerei mit der Aufforderung an die Milchbauern: „Diese extreme, noch nie dagewesene Herausforderung belastet unsere Molkerei erheblich: Wir appellieren an Sie, ihre Anlieferung um 20 % der Menge kurzfristig zu verringern.“ Als Basis für die Anlieferungsmenge legt die Molkerei den Monatsdurchschnitt März zugrunde. Auch Schwälbchen begründet die drastischen Forderungen mit den Einbußen aus dem fehlenden Außer-Haus-Markt.
Wieder einen Tag später erreichte die Bauern der Bayern MeG ein ähnliches Rundschreiben. Darin warnt die Bayern MeG Milchviehhalter so schnell wie möglich alle betriebsindividuellen Möglichkeiten nutzen, um die Milchmenge kurzfristig einzuschränken. Die Produktion müsse dem Bedarf angepasst werden. „Keiner weiß, wie sich die Corona-Krise weiterentwickelt und ob nicht in kurzer Zeit Milchprodukte am Markt wieder stark gesucht sind. Aktuell findet eine Wertevernichtung in noch nie dagewesenen Dimensionen statt, die zum Handeln aufruft“, teilten die Vorstände der Bayern MeG mit.
Markt zusammengebrochen
„Auf dem Milchmarkt beobachten wir im Moment eine dramatische Situation “, beschreibt Dr. Rudolf Schmidt, Geschäftsführer der Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW (LV Milch), die aktuelle Situation.
Besonders Molkereien, die auf Foodservice spezialisiert sind, trifft die Corona-Krise hart. Von Seiten der Großverbraucher gibt es keinerlei Nachfrage, es findet kein Außer-Haus-Verzehr von Milchprodukten statt. „Große Märkte im In- und Ausland fallen komplett weg“, so Schmidt. Der Export in andere EU-Länder oder China ist ebenfalls zum Erliegen gekommen. Das führt zu Engpässen in vielen Molkereien. DMK, Arla oder FrieslandCampina sind breiter aufgestellt und können dem Druck momentan noch besser standhalten als kleinere oder spezialisertere Molkereien.
Aktuell sind haltbare Produkte wie H-Milch, aber auch Trinkmilch und Käse stark im Lebensmitteleinzelhandel nachgefragt, wer diese produziert, profitiert.
Insgesamt befürchtet Schmidt einen starken Druck auf die Milchpreise. „Einige spüren den Druck schon im April, andere vielleicht erst später.“
Auch Michael Alterauge, Landesvorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) aus NRW, sieht den Milchpreis in Gefahr und spricht sich für eine Milchmengenregulierung aus: „Wir brauchen eine Mengendrosselung auf EU-Ebene, nicht auf Molkereiebene. Das würde sonst nur zu einem Flickenteppich führen.“ Dabei betont er: „Wir wollen keine neue Milchquote, sondern eine zeitlich befristete Mengenanpassung.“
Corona fordert Reaktion
Optimistischer betrachtet der Westfälisch-Lippische Landwirtschafsverband (WLV) die aktuelle Situation: „Viele deutsche Molkereien halten die Erzeugerpreise noch stabil, die Auswirkungen auf den Milchmarkt sind vergleichsweise mild“, erklärt Anna Althoff, Referentin für Milchwirtschaft und Milchpolitik. Allerdings müsse auch in der Milchwirtschaft mit Auswirkungen der Corona-Pandemie gerechnet werden. Daher wird über eine mögliche Eröffnung von Kriseninstrumenten diskutiert.
Der Milchpräsident des Deutschen Bauernverbandes, Karsten Schmal, fordert angemessene Reaktionen auf Verwerfungen im Milchmarkt: „Wenn es eine Marktlage gibt, die Beihilfen zur Privaten Lagerhaltung rechtfertigt, dann ist es die aktuelle. EU-Kommission und EU-Mitgliedstaaten sind gefordert, dieses Instrument zeitnah zu eröffnen.“ Schmal sieht außerdem die Molkereien in der Pflicht: „Wir haben in der Strategie 2030 festgehalten, dass die Molkereien gemeinsam mit ihren Lieferanten Ansätze zur Abmilderung der mit Preisschwankungen verbundenen Folgen vorantreiben. Hierzu gehören Elemente zur Milchmengenplanung und -steuerung sowie Festpreismodelle.“
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