Dürfen wir Tiere nutzen und töten?

Bei diesem Schlagabtausch war kein Konsens zu erwarten: Regina Selhorst, Landwirtin aus Ascheberg im Münsterland und Präsidentin des Westfälisch-Lippischen Landfrauenverbandes, und Hilal Sezgin, Philosophin und Tierrechtlerin, diskutierten in der August-Ausgabe der Fachzeitschrift „top agrar“ über die Frage: „Dürfen wir Tiere nutzen und töten?“.

„Heute brauchen wir die Tiere nicht mehr als Arbeitstiere und auch nicht mehr als Nahrungsgrundlage“, argumentiert die Tierrechtlerin und Buchautorin, Hilal Sezgin. „Das wirft neue Fragen auf: Dürfen wir andere empfindungsfähige Lebewesen nutzen, sie einsperren, ihnen die Kinder wegnehmen, ihnen Körperteile amputieren und sie schließlich gewaltsam töten? Ich meine Nein. Am Ende werden Nutztiere immer geschlachtet – auch Legehennen und Milchkühe. Es ist daher kein Unterschied, ob wir nur Milch und Eier nutzen oder auch das Fleisch.“

Regina Selhorst, die mit ihrem Mann einen Betrieb mit Schweinehaltung und Ackerbau bewirtschaftet, hält entschieden dagegen: „Mein Verständnis von Nutztierhaltung ist ein ganz anderes. Die Nutztiere werden geboren, um den Menschen zu dienen, ihnen gesunde und sichere Lebensmittel zu liefern. Dass auch Legehennen und Milchkühe am Ende geschlachtet werden, halte ich auch für ein Gebot der Fürsorge. Würden wir das nicht tun, würden die Tiere leiden, bis sie unter Umständen unter Qualen an Altersschwäche eingehen.“

Haben Tiere Rechte?

Sezgin ist überzeugt: „Wir haben nicht das Recht, die Lebewesen in Nutzungskategorien einzuteilen. Und Tiere sind keine Gegenstände. Sie empfinden Trauer, Schmerzen und Langeweile.“ Später ergänzt sie: „Auch ein schmerzempfindliches Lebewesen hat ein Recht darauf, keine Schmerzen zugefügt zu bekommen. Es hat ein Recht darauf, sein Leben ungehindert ausleben zu können. Das müssen wir Menschen beachten. Draußen in der Natur zwischen Wolf und Reh macht dieses Konzept keinen Sinn, weil der Wolf keine Rechte versteht.“

Selhorst widerspricht: „Ich unterscheide ganz klar zwischen Tier- und Menschenrechten. Tiere haben ein Recht darauf, tiergerecht behandelt zu werden. Wir dürfen Tiere nicht vermenschlichen. Tiere haben einen Anspruch auf Futter und auf ein Umfeld, in dem sie sich wohlfühlen. Aber sie haben nicht das Recht, als Mensch behandelt zu werden.“

Aufgabe für die gesamte Gesellschaft

Angesprochen auf die weitreichenden Folgen eines Nutzungsverzichts von Tieren – etwa für die Grünlandbewirtschaftung – scheut Sezgin auch vor grundlegenden Konsequenzen nicht: „Natürlich müssten einige Bauern, die wirklich von Grünland leben, ihre Existenz umstellen. Aber eine gesellschaftliche Veränderung geht nicht ohne Einschnitte. Darum sage ich ja immer: Das Ganze ist eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft, nicht nur für Einzelne! Denn den Verlierern müssen wir natürlich beim Aufbau einer neuen Existenz helfen.“

Selhorst entgegnet: „Ganze Regionen wären nutzlos.“ Sie ist überzeugt, dass die Veredlung des Grünlands zu Milch und Fleisch Grundlage für eine ausgewogene Ernährung und den Erhalt der Kulturlandschaft bleibt.

Für Position werben

Einig sind sich die beiden Frauen in einem emotional aber fair geführten Streitgespräch immerhin in einem Punkt: Der Staat darf niemanden vorschrieben, wann er sich wie zu ernähren hat. Hilal Sezgin: „Ich will kein Gesetz, das das Töten von Tieren verbietet. Das ist in einer Demokratie die falsche Frage. Ich muss für meine Positionen werben, dafür eine Mehrheit gewinnen.“ mss