Wochenblatt: Herr Andresen, viele Landwirte sind von den Streitereien zwischen den beiden LsV-Lagern genervt. Können Sie das verstehen?
Andresen: Sehr gut sogar. Auch uns kostet das Kraft, die wir gut in Sachen Politik gebrauchen können. Aber was jetzt noch zu klären ist, tragen wir nicht mehr öffentlich aus.
Um welche inhaltlichen Differenzen geht es?
Diese gibt es eigentlich nicht. LsV – Deutschland und LsV – Das Original kämpfen für die gleiche Sache, haben identische Statuten.
Dann sind persönliche Querelen entscheidender?
Auch nicht. Aber wenn die Einzelperson Maike Schulz-Broers unsere Facebookseite schließen lässt, weil sie das Markenrecht sowie die Nutzung des LsV-Logos verletzt sieht, dann gehen wir dagegen vor.
Ist damit ausgeschlossen, dass die LsV-Lager noch einmal gemeinsam agieren?
Keineswegs, wir sind jederzeit zu einem sachlichen und zielführenden Dialog bereit. Aber es muss klar sein, wo wir hin wollen.
Ist die Zeit nicht reif dafür?
Die vergangenen Monate waren in der Tat eine besondere Zeit. LsV kann in vielen Debatten als Vermittler oder Dialogpartner auftreten. Und es ist immer schlau, Verbündete zu haben. Aber aktuell wissen wir gar nicht, wer genau hinter LsV – Das Original steht.
Die Landwirtschaft ist in ein neues Licht gerückt. Welche Rolle hat LsV dabei gespielt?
Die Bauernproteste haben einen positiven Blick auf die Landwirtschaft geworfen. Politik und Gesellschaft nehmen sie ganz anders wahr, die Corona-Krise verstärkt das. Und die Proteste haben überhaupt erst das Agrargespräch bei Kanzlerin Angela Merkel und die Bildung einer „Zukunftskommission Landwirtschaft“ ermöglicht.
Ihr Ziel, die Düngeverordnung zu stoppen, haben Sie nicht erreicht. Woran lag es am Ende?
Gestoppt haben wir sie nicht, aber ohne die LsV-Aktivitäten wäre die Binnendifferenzierung sowie die Überprüfung der Messstellen niemals so in den Fokus gerückt. Wir haben jetzt eine Düngeverordnung, die wir begleiten können. Das war vor einem halben Jahr nicht so. Und das hätte der Bauernverband auch nicht erreicht, weil er die Leute nicht auf die Straße bekommen hätte. Wir haben aber gelernt, dass wir den vor- und nachgelagerten Bereich noch stärker hätten einbinden müssen.
Lässt sich die Mobilisation trotz der ernüchternden Ergebnisse und der jetzt anstehenden Außenarbeiten hochhalten?
Mit der Düngeverordnung haben wir vielleicht eine Schlacht verloren, aber nicht den ganzen Krieg. Wir brauchen weiter Dialoge, wir müssen weiter unsere Systemrelevanz verdeutlichen. Klar ist aber, dass durch Corona aktuell keine Aktionen möglich sind.
Welche Themen nehmen Sie sich jetzt vor?
Agrarpaket, Mercosur-Abkommen, Düngeverordnung, und jetzt auch Nutztierhaltungs-Verordnung sowie Milchpolitik. Wo die Politik Rahmenbedingungen setzen will, wollen wir mitmischen. Aktuell ist die Politik von Ideologie getrieben, Ökonomie spielt überhaupt keine Rolle. Wir wollen den Politikern verdeutlichen, welche Konsequenzen ihre Entscheidungen haben. Beispiel Ferkelerzeugung: Schon heute stammen 30% der hier gemästeten Ferkel nicht aus Deutschland. Verabschieden die Politiker die Nutztierhaltungs-Verordnung, steigt der Anteil der Ferkel aus dem Ausland deutlich an. Das muss die Politik dann auch ehrlich sagen.
Ist die „Zukunftskommission Landwirtschaft“ eine Lösung, an der Sie mit dem DBV arbeiten?
Absolut! Wir brauchen eine unabhängige Kommission, die sachlich fundiert gesellschaftliche Strömungen abstimmt. Sie kann der Politik eine zukunftsfähige Landwirtschaft vorschlagen. Leider stocken die Arbeiten durch die Corona-Krise aktuell, LsV nimmt die Gespräche aber wieder auf.
Wie stehen Sie generell zur Zusammenarbeit mit etablierten Verbänden wie dem Bauernverband?
Uns ist sehr wichtig, dass wir verbandsunabhängig sind und uns von niemandem vor den Karren spannen lassen oder von einem Karren gezogen werden. Eine große Herausforderung sehen wir darin, eine einheitliche Stimme für die Landwirtschaft zu schaffen. Uns schwebt dazu im ersten Schritt ein runder Tisch aller landwirtschaftlichen Verbände vor. Dann möchten wir Nichtregierungsorganisationen, Verbraucherverbände, Vertreter des Lebensmittelhandels sowie der Kirchen usw. hinzuholen. Da ist eine „Erweiterte Zukunftskommission Landwirtschaft“ der Kanzlerin. Dort wollen wir klären, wie die Landwirtschaft künftig aussehen soll.
Beispiel Milchmarkt: Der DBV setzt auf bekannte Kriseninstrumente, andere Verbände fordern eine Mengendrossel. Wie positioniert sich LsV – Deutschland?
Milchmarkt und Milchpolitik sind komplex, die Corona-Krise macht es noch schwieriger. Vor Ostern hatte ich eine Videokonferenz mit Milchverbänden, nach Ostern war ich bei einem Milchgespräch mit Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner dabei. Beide Male sind vor allem die verschiedenen Meinungen von DBV und BDM klar geworden. Der LsV schlägt sich auf keine Seite. Unsere LsV-Milchgruppe spricht sich für eine freiwillige Mengendrosselung aus.
Wie stark ist der politische Einfluss Ihrer Gruppierung?
Ich glaube, dass wir ein wichtiger Gesprächspartner sind. Zum Beispiel hat Julia Klöckner großen Wert darauf gelegt, dass ich bei dem Milchgespräch dabei bin. Auch zu anderen Politikern halten wir engen Draht. Denn wir können gut die Stimmungslage vermitteln.
Haben Sie die richtige Organisationsstruktur dafür?
Aktuell erfinden wir LsV – Deutschland neu. Ich bin von morgens bis abends fast ausschließlich mit LsV beschäftigt, kann aber unmöglich hunderte WhatsApp-Gruppen lesen. Deshalb arbeitet eine Agentur daran, LsV – Deutschland in eine Struktur zu gießen.
Ganz wichtig: Wir wollen keinen Bauernverband 2.0! Wir wollen den Aktionismus und die Agilität der WhatsApp-Gruppen behalten. Aber wir brauchen klare Linien, damit beispielsweise die Arbeitsgruppen nachhaltiger arbeiten. Auch, um die Mitglieder und das Konto professioneller zu führen.
Sollte LsV eine eigene Partei gründen?
Derzeit haben wir weder die Struktur noch Zeit dafür. Und sinnvoll wäre es, den gesamten ländlichen Raum zu vertreten, um Gehör zu finden. Grundsätzlich ausschließen kann ich es aber nicht.
Wenige politische Erfolge, lose Organisation, interne Streitereien: Branchenvertreter glauben, dass LsV am Abgrund steht. Wo sehen Sie LsV am ersten Geburtstag?
Totgesagte leben länger! Ich bin überzeugt, dass wir weiter an unseren Aufgaben arbeiten. Wir wollen polarisieren, manchmal auch übers Ziel hinausschießen. Wir lassen weiter heterogene Strukturen zu und binden Frauen sowie junge Menschen ein. Das ist uns wichtig, und unterscheidet uns vom Bauernverband.
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