Die Fichte ist nur im Mischwald stabil



Wochenblatt: Wie steht der Wald heute da, 10 Jahre nach Kyrill?

von der Goltz: Der Pflegezustand der vom Sturm verschonten Fichtenbestände ist grundsätzlich besser. Auf zwei Drittel der wiederaufgeforsteten Fläche sind die Wälder durch den Samenanflug von Birken und Ebereschen stabiler und strukturreicher. Insgesamt ist der Laubholzanteil gestiegen. Alles in allem steht der Wald heute besser da als vor dem Sturm.

Wochenblatt: Den hohen Fichtenbeständen wird eine wesentliche Schuld zugeschrieben. Wie groß ist der Anteil an Reinbeständen nach der Wiederaufforstung?

von der Goltz: Im Forstamtsbereich stockt die Fichte auf 78 % der Fläche, allerdings inzwischen vielfach im Mischbestand. Auf den Kyrillflächen etablierten sich häufig Birken und Vogelbeeren. Die Flächen zählen zumindest vorübergehend als Mischwald. Ob sich diese Mischbaumarten dauerhaft in der Fichte halten können, entscheidet der Waldeigentümer durch seine Art der Durchforstung. Wir können „nur“ beraten.

Wochenblatt: Also setzen die Waldbauern nach wie vor auf die Fichte?

von der Goltz: Nach dem Sturm haben die Waldbauern auf 5500 ha wieder Wald angepflanzt. Auf weiteren 2500 ha entstanden Weihnachtsbaum- und Schmuckreisigkulturen. Rund 500 ha sind Flächen, auf denen sich Naturverjüngung einstellte. Bei der Baum­artenwahl setzten die Waldbauern zu zwei Dritteln auf die Fichte. Ein Drittel sind Mischbestände aus Douglasie, verschiedenen Tannen, Buche, Bergahorn, Eiche oder Lärche. Die Reinbestände sind allerdings ohne die Empfehlung des Forstamtes bzw. der Revierbeamten entstanden. Unsere Empfehlung war ganz eindeutig der Mischbestand – mit der Fichte, wo sie hingehört. Vor allem mit dem Blick auf den Klimawandel ist der Misch­wald das A und O.

Wochenblatt: Einige Waldbesitzer haben durch den Sturm ihren gesamten Baumbestand verloren. Neue Wälder kosten erst einmal Geld, bevor sich welches verdienen lässt. Haben die Eigentümer der Waldwirtschaft sozusagen den Rücken gekehrt?

von der Goltz: Sicherlich ist vielen Waldbesitzern innerhalb weniger Stunden ihre Sparkasse genommen worden. Nur wenige, in der Regel kleine Betriebe, haben ihren Wald verkauft. Was wir beobachten, ist ein gesteigertes Engagement, was die Pflege zur Stabilisierung des Waldes betrifft.

Wochenblatt: Finanziell drohte einigen Betrieben das Aus. Was haben Sie von dem psychischen Druck, unter dem die Waldbauern damals standen, mitbekommen?

von der Goltz: In den ersten Tagen nach dem Sturm gab es aufgrund des Schadensumfanges Reaktionen von der Lähmung bis zum panischen Entsetzen. Erst nach und nach realisierten die Waldeigentümer die Konsequenzen des Schadens für ihre Betriebe. Es gab auch viele Kollegen, die nicht nur physisch, sondern auch psychisch sehr an­gegriffen waren, denn schließlich hatte Kyrill ja auch ihr „Lebenswerk“ zerstört.

Wochenblatt: Welche fachlichen und persönlichen Erkenntnisse haben Sie durch das Sturmereignis gewonnen?

von der Goltz: Meiner Ansicht nach ist bei allen Beteiligten das „Wir“ durch Kyrill gestiegen. Nur in Zusammenarbeit sind solche Katas­trophen zu bewältigen – sei es innerhalb einer FBG oder auf Behördenebene. Bei einer Kalamität dieses Ausmaßes ist ein Koordinationskern für Holzverkauf, Unternehmerakquise, Einsatzorganisation usw. nötig. Mein Fazit: Am zielführendsten ist eine sehr umfassende Kommunikation mit allen Beteiligten, ein leistungsbereites Team Verantwortlicher, der Aufbau eines Ablaufplanes für sach­orientiertes Arbeiten ohne überflüssige Bürokratie – das wäre in manchen Fällen besser so ge­blieben. Kevin Schlotmann

Das vollständige Interview finden Sie im aktuellen Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben, Folge 3, vom 19. Januar 2017.