Der Brexit und die Bauern: Was kommt?

Was ändert sich am Agrarhandel zwischen Großbritannien und der EU nach einem Brexit? Das Thünen-Institut in Braunschweig hat die vorhandenen Daten durchgerechnet und kommt zu einem durchaus beruhigenden Ergebnis.


Großbritannien hat 2015 Agrarprodukte im Wert von rund 4,5 Mrd. € exportiert, davon nach Deutschland Waren im Wert von 1,3 Mrd. €. Umgekehrt hat die deutsche Agrarwirtschaft Güter im Wert von etwa 4,2 Mrd. nach Großbritannien exportiert. Was ändert sich an diesem Handelsaustausch nach dem Ausstieg?

Das Thünen-Institut in Braunschweig weist darauf hin, dass Großbritannien Mitglied im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) werden könnte. „Der EWR ermöglicht derzeit den freien Warenverkehr von Industrieprodukten, Dienstleistungen und Kapital zwischen Norwegen, Island, Liechtenstein und der EU. Für den Handel mit Agrar- und Ernährungsgütern gibt es hier Sonderregelungen, und es bestehen weiterhin noch Zollbarrieren zwischen den Handelspartnern.“ Denkbar sei auch ein eigenständiges Freihandelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien, das auch den Agrar- und Ernährungssektor einschließt.

Der schlechteste Fall

Ohne diese zusätzlichen Abkommen müsste Großbritannien nach dem Austritt auf Basis der Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) mit der EU handeln. Die möglichen Auswirkungen dieses denkbar ungünstigsten Falles („worst case“) hat das Thünen-Institut berechnet – und das unter drei Vorannahmen:

  • Die EU und Großbritannien erheben im Außenhandel wieder wechselseitig Zölle.
  • Die EU behandelt Großbritannien nach den geltenden WTO-Regeln genauso wie die USA, Brasilien oder China.
  • Großbritannien verhält sich genauso und erhöht gemäß den WTO-Regeln die Zollschranken gegenüber den EU-Mitgliedstaaten.

In diesem Fall seien die Zollsätze für verarbeitete Nahrungsmittel „besonders betroffen“, so das Thünen-Institut. Einfuhren von Rindfleisch in das Vereinigte Königreich würden mit 28 %, Milchprodukten mit mehr als 35 % und Zuckerimporte sogar mit 125 % belegt.

Der Handel mit unverarbeiteten Agrarprodukten werde nur „geringfügig betroffen“, erwartet das Thünen-Institut. „Für den Bereich der verarbeiteten Nahrungsmittel hingegen wird es einen deutlichen Rückgang im Außenhandel geben.“ Die Handelsbilanz von Großbritannien bei Agrarprodukten und Nahrungsmitteln werde sich deutlich verschlechtern. Unter dem Strich werde Großbritannien mehr unter dem Brexit leiden als die EU.

Die Nahrungsmittelexporte aus Deutschland in das Vereinigte Königreich könnten im allerungünstigsten Fall um mehr als 1,2 Mrd. € bzw. etwa 30 % des derzeitigen Standes schrumpfen. Die Hälfte dieser Produkte könnte allerdings auf anderen Märkten abgesetzt werden, erwartet Martin Banse, der Leiter des Thünen-Instituts für Marktanalyse. „Daher gehen wir davon aus, dass die gesamten Ausfuhren Deutschlands an verarbeiteten Agrarprodukten nur um rund 650 Mio. € sinken.“ Die Wirkungen auf das Preisniveau auf deutschen Agrarmärkten sei also „relativ gering“.

Alleingänge machen unglücklich

Doch all diese Berechnungen, wie gesagt, beruhen auf der Annahme des ungünstigsten Falles, dass die 27 EU-Staaten und Großbritannien sich nicht auf Konzessionen etwa im Rahmen eines möglichen Freihandelsabkommens verständigen können. Eher sei zu erwarten, dass die beteiligten Staaten einen erleichterte gegenseitigen Marktzugang vereinbaren, so dass die berechneten Effekte „deutlich geringer“ ausfallen, so der Marktforscher Martin Banse. idw/Str.