Mit der jüngsten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) stellte die Bundesregierung die Förderung der erneuerbaren Energien von einer Festvergütung auf Ausschreibungsverfahren um. Das hatte vor allem ein Ziel: Die Energiewende sollte preiswerter werden. Als Folge steht die Windenergiebranche nach den ersten drei Ausschreibungsrunden jetzt aber vor einem Scherbenhaufen: Im kommenden Jahr könnte der Zubau von Windenergieanlagen (WEA) an Land radikal einbrechen. Schon heute entlassen Hersteller, Planungsbüros und Zulieferer erste Mitarbeiter. Die negativen Auswirkungen drohen so stark, dass die Politik die Reißleine gezogen und die Ausschreibungsbedingungen für 2018 geändert hat.
Politik zieht die Reißleine
Dabei haben die ersten Ausschreibungsrunden am 1. Mai, 1. August und 1. November auf den ersten Blick gut funktioniert: Der Zuschlagswert sank vom vorgegebenen Höchstwert (7 Cent/kWh) auf zuletzt 3,82 Cent/kWh. In Runde zwei und drei gingen zudem etwa 97 % der Zuschläge an Bürgerenergiegesellschaften (BEG). Damit schien die Akteursvielfalt – ein weiteres Ziel der Politik – auch im Rahmen der Ausschreibungsverfahren erhalten zu bleiben.
Dass durch die Umstellung auf die Ausschreibung die Zukunftsbranche Wind in Gefahr geraten könnte, damit hatte kaum jemand gerechnet.
Was ist passiert? Um die Zusammenhänge zu verstehen, muss man Folgendes wissen: In den Ausschreibungsrunden bewerben sich die Investoren, egal, ob Firmen oder BEG, um die Möglichkeit, eine oder mehrere WEA mit einer bestimmten Leistung bauen zu dürfen. Dazu geben sie den Preis an, zu dem sie Windenergie erzeugen können. Es kommt dann solange immer der Bieter mit dem niedrigsten Preis je kWh zum Zuge, bis die gesamte ausgeschriebene Menge WEA-Leistung vergeben ist. Nach Inbetriebnahme der WEA erhalten die Betreiber als Stromerlös den Preis, zu dem sie einen Zuschlag bekommen haben. Sind die tatsächlichen Marktpreise niedriger, was heute in der Regel der Fall ist, bekommen sie die Differenz zu ihrem Zuschlagspreis gefördert. Die Finanzierung erfolgt über die EEG-Umlage. In den Ausschreibungsrunden 2017 wurden insgesamt 2800 MW ausgeschrieben.
Damit BEG bessere Chance haben, gelten für sie Sonderregeln. Im Gegensatz zu anderen Investoren müssen sie zum Zeitpunkt der Teilnahme an der Ausschreibung keine Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) vorliegen haben. Für die Umsetzung des Projektes haben sie 54 Monate Zeit, andere Investoren mit bereits vorliegender Genehmigung nur 30 Monate.
Was eine BEG ist, ist dabei im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) definiert. So müssen ihr zum Beispiel mindestens zehn natürliche Personen angehören, von denen 51 % ihren Wohnsitz im selben Landkreis haben, in dem der Windpark entstehen soll. Jede natürliche Person darf für ein Jahr ab EEG-Zuschlag nicht ein weiteres Mal an einer Ausschreibung teilnehmen, weder mit derselben noch mit einer anderen BEG.
Regelung wird Bumerang
So weit, so gut. Was eigentlich als Erleichterung für kleinere Marktteilnehmer gedacht war, ist jedoch zum Bumerang geworden: Die lange Umsetzungszeit von 54 Monaten haben Investoren dazu genutzt, spekulative Angebote abzugeben. So haben nach Angaben der Bundesnetzagentur (BNetzA) in der zweiten Runde 60 Bürgerprojekte gemäß EEG-Definition einen Zuschlag erhalten. Allein 42 davon lassen sich aber einem einzigen Projektierer zuordnen.
Um einen Zuschlag zu bekommen, haben die vermeintlichen BEG – zumindest für heutige Bedingungen – unrealistisch niedrige Preise geboten und dabei auf die Annahme gesetzt, dass in den nächsten Jahren zum einen die Erzeugungskosten für Windstrom durch technischen Fortschritt sinken und zum anderen die Börsenerlöse für Windstrom steigen werden.
Das erste Problem: Der Aufbau der meisten der BEG, die in den drei Ausschreibungsrunden einen Zuschlag bekommen haben, lässt vermuten, dass es sich bei diesen BEG nicht um echte Bürgerprojekte, sondern um pfiffige Konstrukte weniger großer Projektierer handelt (siehe Interview „Verfallen Sie nicht in Panik“ auf dieser Seite).
Das zweite Problem: Zu den niedrigen Zuschlagswerten von 4 oder sogar unter 4 Cent/kWh können Investoren, die heute bereits eine Genehmigung vorliegen haben und entsprechend mit heutiger Technik produzieren müssen, keinen Windstrom erzeugen. Es ist einfach nicht wirtschaftlich. Um auszukommen, bräuchten sie Preise von etwa 6 Cent/kWh.
Die Folge: Spekulative Projekte haben die Preise kaputt gemacht und so bereits genehmigte und realisierbare Vorhaben aus dem Markt gedrängt. Insgesamt haben 2017 deutschlandweit nur 37 bereits genehmigte Anlagen einen Zuschlag erhalten. Zum Vergleich: In diesem Jahr entstanden deutschlandweit rund 1750 neue, noch nach altem Recht genehmigte WKA mit einer Leistung von etwa 6000 MW.
Bliebe es bei den bisherigen Ausschreibungsbedingungen, würde der Zubau um 98 % einbrechen. Eine Katastrophe für alle Unternehmen der Branche, für Arbeitsplätze und die Energiewende.
Heute liegt bereits eine genehmigte Leistung von zurzeit mehr als 1380 MW auf Eis. Diese Leistung könnte sofort in Bau gehen, hätte sie in einer Ausschreibungsrunde einen Zuschlag bekommen.
Sonderregelungen für 2018
Die BNetzA hat das Problem erkannt. Sie befürchtet „dass die (aktuelle) Zuschlagserteilung zu einem Nichterreichen der gesetzlich bestimmten Ziele führen könne“, da auf Veranstaltungen und in sonstigen Gesprächen von vielen Fachleuten die Ansicht geäußert worden sei, „dass sich Strom zu solchen Preisen erst mit in einigen Jahren verfügbaren Anlagen – wenn überhaupt – erzeugen ließe“.
Aus diesem Grund hat die BNetzA beschlossen, den Höchstwert für alle vier Ausschreibungsrunden im Jahr 2018 auf 6,3 Cent/kWh festzulegen. Damit setzt sie das sogenannte „rollierende Verfahren“ aus, nachdem sich der jeweilige Höchstwert einer Ausschreibungsrunde am durchschnittlichen
Zuschlagswert der vorangegangenen drei Ausschreibungsrunden orientiert.
Wäre es beim rollierenden Verfahren geblieben, hätte der Höchstwert in der ersten Runde 2018 nur 5 Cent/kWh betragen und wäre danach vermutlich weiter gesunken. Als zusätzliche Gegenmaßnahme werden zu den ersten beiden Ausschreibungsrunden im Jahr 2018 nur Projekte zugelassen, die bereits genehmigt sind.
Ende gut, alles gut?
Ein guter Schachzug. Ob er aber tatsächlich reichen wird, um die drohende Zubaulücke zu schließen, bleibt fraglich. Denn auch im Jahr 2018 werden insgesamt nur 2800 MW ausgeschrieben (700 MW pro Runde).
Zur Erinnerung: Schon jetzt liegen über 1380 MW genehmigte Leistung in der Pipeline. Bis Februar wird sich die genehmigte Leis-tung schätzungsweise auf rund 1600 MW erhöhen. Die erste Runde 2018 wird also vermutlich mehr als doppelt überzeichnet sein. Grund genug für viel Stress bei Investoren und niedrige Panikangebote.
Fraglich bleibt außerdem, ob
sich durch die staatlich vorgeschriebene Begrenzung des Windenergie-Ausbaus die Ziele der Energiewende und letztlich auch die Pariser Klimaschutzziele erreichen lassen.
Zurzeit steht die Branche vor einem Scherbenhaufen. Doch es gibt Hoffnung: Auch aus der Politik mehren sich die Forderungen, das Ausschreibungsvolumen dauerhaft zu erhöhen und dauerhaft nur genehmigten Anlagen die Teilnahme an den Ausschreibungen zu erlauben. Auch muss dringend die schwache BEG-Definition im EEG zum Schutz von echten Bürgerwindprojekten präzisiert werden. Bleibt zu hoffen, dass die Korrekturen nicht nur ausreichend greifen, sondern auch noch rechtzeitig kommen.
Die Anlage auf dem Bild entstand in diesem Jahr in Vreden. Doch solche Bilder könnten selten werden. Denn auch wenn es die Politik nicht so gewollt hat, droht der Zubau von Windkraftanlagen deutschlandweit radikal einzubrechen.
oto: BBWind