Die Coronakrise wirbelt die Produktionen und Absatzwege der deutschen Molkereien durcheinander. Die Unternehmen sind unterschiedlich stark betroffen, deshalb ist auch der Druck auf die Milchpreise unterschiedlich stark. Im Export gibt es erste Lichtblicke, beispielsweise bestellt China wieder. Corona ist die heftigste Lebensmittelkrise der vergangenen 30 Jahre, sagt Eckhard Heuser, Hauptgeschäftsführer vom Milchindustrie-Verband in Berlin, aber er ist sich sicher: "Wir schaffen das!"
Die Verbraucher hamstern Lebensmitteln. Wie macht sich das beim Absatz von Milchprodukten bemerkbar?
In der Tat: Milchprodukte sind wichtige Bestandteile der Ernährung auch in der Krise! Die Nachfrage im Lbensmitteleinzelhandel war extrem groß. Die Renner sind H-Milch, H-Sahne aber auch Butterpäckchen zum Einfrieren. Die Verbraucher sollten gut auf das Mindesthaltbarkeitsdatum achten und im Zweifelsfalle ihre Hamsterkäufe früh genug den Tafeln zur Verfügung stellen, die können es derzeit gut brauchen.
Gleichzeitig geht der Außer-Haus-Verzehr stark zurück. Die Nachfrage im Gastronomie-Bereich ist quasi zum Erliegen gekommen. Wie spüren die Molkereien das?
Das ist leider so. Die Restaurants, Kantinen etc haben reduziert bis auf den Außer-Haus-Verkauf. Das wird natürlich kompensiert durch höhere Verkäufe im Lebensmittelhandel. Die Molkereien sind dann eben unterschiedlich getroffen.
China bestellt wieder
Und der Export von Milchprodukten in andere EU-Staaten oder Drittländer?
Ein ähnliches Bild: Der ausländische Handel bestellt, die Exporte von Massengütern, sogenannten bulk-Produkten, sind unter Druck. Aber auch hier gibt es Licht am Ende des Tunnels: China bestellt wieder und wir liefern, zu dann allerdings höheren Containerkosten.
Wie kommen die Molkereien mit den plötzlichen Veränderungen zurecht?
Die Molkereien geben zusammen mit ihren Mitarbeitern und den Milcherzeugern ihr Bestes. Krisenstäbe tagen, Videokonferenzen laufen heiß. Teile der Verwaltung gehen ins home-office, aber da kann man keine Milch abfüllen. Wir brauchen also gesunde Kollegen in den Werken. Ganz wichtig sind die Milchtankwagen-Fahrer, die im Kontakt zu unseren Landwirten sind.
Gibt es schon Unternehmen mit konkreten Einschränkungen durch die Corona-Pandemie?
Ja, der Krankenstand ging sofort hoch, nachdem man sich beim Arzt per Telefon 14 Tage krankschreiben lassen konnte. Über diese Regelung sollte die Politik nochmals nachdenken. Im Transportsektor bzw. in der Logistik sah es Anfang vergangener Woche noch schlecht aus, es gab Staus von 50 km an der polnischen Grenze. Danke des Eingreifens der Bundesregierung sind die Staus nun weg. LKWs sind wieder frei, weil andere Industriebetriebe Kurzarbeiten.
Milchpreise nicht einheitlich
Unterm Strich: Was heißt das für die Entwicklung der Milchpreise in den kommenden Monaten?
Gute Frage für die Kristallkugel. Wie oben ausgeführt, wird es die Molkereien unterschiedlich treffen. Wer breit aufgestellt ist, kommt besser durch die Krise.
Keine Mengensteuerung
Einige Organisationen fordern bereits eine staatliche Mengendrossel, in Österreich appellieren Molkereien an ihre Erzeuger, weniger zu melken. Brauchen wir jetzt eine Mengensteuerung? Wie sollte bzw. könnte diese aussehen?
Eine staatliche Mengensteuerung durch Brüssel sehe ich derzeit nicht. Freiwillige Reduktionsprogramme wie im Jahr 2016 liegen sicherlich in der Schublade. Brüssel hält aber sein Pulver trocken. Jede Molkerei kann natürlich mit seinen Erzeugern etwas Eigenes ausmachen, so verstehe ich auch das österreichische Beispiel.
Was brauchen wir dann?
Eine Aktion „Private Lagerhaltung“ halte ich für besser als die Intervention. Sie ist billiger, das Pulver bleibt beim Wirtschaftsbeteiligten und verstopft später nicht die Absatzkanäle. Der neue Agrarkommissar sollte diese Intelligenz zeigen.
"Wir schaffen das"
Welches Fazit ziehen Sie schon jetzt aus der Coronakrise?
In den letzten 30 Jahren habe ich viele Lebensmittelkrisen begleiten müssen: BSE, EHEC, MKS. Aber Corona schlägt alles. Aber da müssen wir durch, und um die Kanzlerin zu bemühen: Wir schaffen das!