Die Einschränkungen in Gastronomie, Catering, dem gesamten Außer-Haus-Verzehr treffen den Großviehmarkt mit voller Wucht. Die Preise für Rindfleisch sind auf dem Niveau von BSE-Zeiten. Manche Landwirte werden ihre Schlachtrinder nicht los. Besser sieht es für die Schweinemäster aus: Sie geraten trotz Corona-Krise nicht in Not.
Wir fragen Heribert Qualbrink, Einkaufsleiter bei der Unternehmensgruppe Westfleisch, nach der aktuellen Situation auf dem Fleischmarkt.
1. Herr Qualbrink, wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf die Unternehmensgruppe Westfleisch aus?
Die aktuelle Situation ist auch für uns eine absolute Herausforderung. Als Lebensmittelunternehmen gehören Schlachthöfe zur sogenannten „kritischen Infrastruktur“, damit sind wir systemrelevant für die Versorgung der Bevölkerung. Laut Bundesregierung soll es beim Warenverkehr von Tieren und tierischen Produkten zu keinen Einschränkungen kommen.
Wir haben in unserem Unternehmen Pandemiepläne und sind schon länger auf solche Situationen vorbereitet. Die Produktionsfähigkeit ist gesichert und wir befinden uns in einer guten Position.
2. Wie schützt sich Westfleisch vor dem Virus?
Wir ergreifen viele Maßnahmen. Der Erreger betrifft nur Menschen. Das bedeutet, dass Mitarbeiter besonders geschützt werden müssen, um die Lebensmittelkette und -versorgung aufrechtzuerhalten. Wir haben für jeden Bereich in unserem Unternehmen Maßnahmen ergriffen: Arbeitsplätze und Arbeitsgruppen werden streng getrennt. Wir vermeiden Berührungspunkte zwischen Schichten. Der Ablauf ist streng geregelt. Die Mitarbeiter werden bestmöglich über Vorsichtsmaßnahmen aufgeklärt. Es geht um die Mitarbeiter vor Ort. Sie stehen mit ihrer Gesundheit im Fokus.
3. Sind Fleischverarbeitung und Fleischversorgung gesichert?
Die Politik hat verstanden, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Fleischprodukten elementar ist und die Voraussetzungen zur Arbeitsfähigkeit sind gegeben.
4. Wie gut sind die Schlachtbänder noch besetzt? Fehlt es bereits an Arbeitskräften?
Nein, momentan sind wir gut ausgestattet. Hilfreich ist, Mitarbeiter maximal zu informieren. Sonderregelungen funktionieren auch hier nur mit der Politik.
5. Kann das Inlandsgeschäft den fehlenden Export abfangen?
Momentan ist das Geschäft stark durcheinander gewirbelt. Einzelne Märkte werden gar nicht mehr beliefert, andere Märkte fordern andere Produkte. Der Markt muss sich neu sortieren. Der Fokus liegt aktuell auf Verarbeitungsware wie Hackfleisch.
Auf Dauer rechnen wir aber mit einer stabilen Inlandsnachfrage, die den fehlenden Export ausgleicht.
Rinderpreise am Boden
6. Gastronomen, Kantinen und Caterer haben zu. Das trifft den Fleischmarkt von Großvieh hart. Ist der Markt für Rindfleisch zusammen gebrochen?
Der Markt für Großvieh ist von der aktuellen Situation stark betroffen. Gerade der Rindfleischmarkt hängt stark vom Außer-Haus-Verzehr ab, anders als der Markt für Schweinefleisch. Trotzdem funktioniert Rindfleisch im Lebensmitteleinzelhandel gut.
Problematisch ist es für Ware, die nicht QS geprüft ist. Diese findet im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (LEH) keinen Absatz und kann momentan auch nicht ins Ausland exportiert werden. Sie steht unter maximalem Preisdruck. Dabei handelt es sich vornehmlich um Kuh- und Färsenfleisch aus Süddeutschland.
Besonders stark durch den Wegfall von Gastronomie und Kantinen sind aber Schlachtkälber betroffen.
7. Warum trifft es die Schlachtkälber härter als Jungbullen?
Kalbfleisch ist noch mehr vom Außer-Haus-Verzehr abhängig. Viel Kalbfleisch aus Deutschland geht in den Export nach Italien oder Österreich. In den Dönerläden wird ebenfalls hauptsächlich Kalb verkauft. Aber auch die sind zu. Vor allem in Süddeutschland fehlen die Exporte in die Nachbarländer wie Österreich oder Italien.
8. Der Preis für Jungbullen liegt für einen R3-Bullen aktuell bei 3,36 € (VEZG). Ist die Talsohle erreicht oder müssen Landwirte einen weiteren Preisverfall befürchten?
Vergangene Woche gab es kurzfristige Brüche im Markt. Das ist aber nicht ungewöhnlich für die aktuelle Ausnahmesituation. Der Markt muss sich wieder neu sortieren. Der Preis für R3-Bullen ist bei der Vereinigung der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch (VEZG) in zwei Wochen um fast 26 Cent gesunken. Insgesamt war der Spotmarkt für Jungbullen überlastet. Bei uns ist der Preis für Vertragsmäster um 14 Cent gefallen. Wir haben versucht fair mit den Landwirten umzugehen und profitieren von einer guten Bindung zum LEH.
Wir hoffen auf eine Stabilisierung des Preises in dieser Woche.
9. Landwirte berichten, dass Rinder nicht mehr abgeholt werden. Kann Westfleisch noch alle angemeldeten Rinder annehmen?
Aktuell nehmen wir alle Rinder von unseren Partnerbetrieben ab und schlachten auch jeden Tag. Die Märkte müssen sich weiter stabilisieren. Wir versuchen ein gleichmäßiges Teilstückportfolio hinzubekommen und das Rindfleisch auf dem heimischen Markt abzusetzen.
10. Gibt es in diesem Jahr ein Ostergeschäft?
Ostern ist zwar grundsätzlich ein Rindfleischfest. Aber dieses Jahr hat Ostern als Termin keine Bewandnis.
Hoffnung für Schweinemäster
11. Der Schweinepreis hängt am Export. Die Chinaexporte kommen erst langsam in Gang. An den Grenzen zu Osteuropa reihen sich LKWs in langen Warteschlangen. Was bedeutet das für den Westfleisch-Export und Verkauf?
Der lukrative Schinkenmarkt in Italien ist durch den Einreisestopp komplett weggebrochen. China kommt nur langsam in Gang. Viele Container in Chinas Häfen sind noch voll. Die Infrastruktur in China bewegt sich langsam wieder. Aber bis das auf unseren Markt Auswirkungen zeigt, dauert vier bis sechs Wochen. Dann ist China ein Markt für Teilstücke.
Die Lage in Osteuropa ist dagegen kritisch, vor allem an der Grenze zu Polen. Wir bemühen uns gemeinsam mit der Politik Lösungen zu finden. Die Behinderungen müssen behoben werden.
12. Welche Produkte sind aktuell beim Schweinefleisch gefragt?
Momentan sind vor allem einfache, verarbeitete Produkte gefragt. Der Markt ist durcheinander. Aber wir hoffen, auch für den Schweinemarkt, auf eine schnelle Stabilisierung.
13. Wie reagieren die Mäster? Wie entwickelt sich das Lebendangebot für Schweine?
Das Angebot war in den vergangenen Wochen extrem hoch. Wir hoffen auf eine Stabilisierung in den kommenden zwei Wochen.
Wichtig ist: Auch die Landwirte sind für alle Abläufe mit verantwortlich. Wir bitten ausdrücklich darum, Schweine frühzeitig zur Schlachtung anzumelden. Das hilft uns in der Planung.
14. Was geben Sie den Tierhaltern aktuell mit auf den Weg?
Gute Absprachen sind momentan besonders wichtig. Falls ein Landwirt in Quarantäne ist oder Anzeichen einer Infektion hat, muss er Abstand von den Lebendviehtransporteuren halten. Dann muss eine Vertretung zum Verladen kommen. Dokumente müssen selbstverständlich bereitliegen. Die Fahrer sind ein sensibles Glied in der Lebensmittelkette.
Wir wollen keine Aufregung, aber der Schutz aller Beteiligten hat oberste Priorität. Abnahmebeschränkungen gibt es bislang keine.
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