Das Coronavirus bremst und stört die Weltwirtschaft. Eine seriöse Einschätzung zu den wirtschaftlichen Einbußen traut sich Gabriel Felbermayr, Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, noch nicht zu. Aber er geht davon aus, dass das Wachstum in China im ersten Quartal dieses Jahres zum Stillstand kommt. Das belaste auch die deutsche Volkswirtschaft, deren Wachstum vermutlich um 0,2 Prozentpunkte geringer ausfalle, sagte Felbermayr im Deutschlandfunk.
„Achillesferse“ Lieferketten
China, wo das Coronavirus als Erstes auftrat und es die meisten Infektionen gibt, hat einen Anteil von fast 20 % am globalen Bruttoinlandsprodukt. „Von deren Wohl und Wehe hängt die exportorientierte deutsche Wirtschaft stark ab“, sagt Andreas Rees von der Großbank Unicredit gegenüber dem „Handelsblatt“. Die größte Gefahr sieht er in der anhaltenden Unterbrechung der internationalen Lieferketten. Sie seien sehr komplex und „die Achillesferse der globalisierten Wirtschaft.“
Dem stimmt Felbermayr zu. Die internationale Arbeitsteilung habe sich sehr stark ausgebreitet, die Produktionsnetzwerke seien weit gespannt. Doch jetzt stelle man fest, dass die globalen Lieferketten doch nicht so robust seien, „dass man immer zu jeder Zeit Vorprodukte bekommen kann, aus allen Ländern der Welt, wann immer das notwendig ist“, sagte der Ökonom. Besonders betroffen ist beispielsweise die Automobilbranche. Sie bezieht viele Bauteile aus verschiedenen Ländern.
China wichtiger Handelspartner für deutsche Landwirtschaft
In der Landwirtschaft ist das geringer ausgeprägt. „Die landwirtschaftliche Erzeugung ist nicht in dem Maße auf international verflochtene Lieferketten angewiesen wie die Industrie. Kurzfristige Unterbrechungen führen in der Regel nicht zu Produktionsausfällen“, sagt eine Sprecherin des Bundeslandwirtschaftsministerium auf Nachfrage. Allerdings ist gerade China ein wichtiger Handelspartner für die deutsche Landwirtschaft. 2018 importierte Deutschland aus China Güter der Land- und Ernährungswirtschaft im Wert von 1,64 Mrd. €.
Gleichzeitig exportierte Deutschland landwirtschaftliche Güter im Wert von 1,51 Mrd. € nach China. Aktuell sind die Logistikprozesse in China aber beträchtlich gestört, sagt Holger Hübner von der German Export Association for Food and Agriproducts GEFA gegenüber dem Wochenblatt: „Die Abfertigung in den Häfen hat sich stark verlangsamt, es gibt kaum noch freie Plätze für Container bzw. Kühlcontainer, zudem ist der Abtransport aus den Häfen eingeschränkt. Das bremst auch den Export in andere asiatische Länder. Laufende Lieferverträge lassen sich nur langsam erfüllen, die Bestände in Deutschland wachsen.“
Diese Schäden lassen sich noch nicht in Zahlen fassen. Auch nicht die Folgen, die bereits in China sichtbar sind. Hübner: „Die Nachfrage nach zum Beispiel Milchprodukten, Fleisch und Bier im Lebensmittelhandel sinkt teilweise deutlich, weil die Leute zu Hause bleiben. Besonders betroffen ist der Außer-Haus-Verzehr in Restaurants oder Kantinen. Dagegen nimmt der Onlinehandel mit Lebensmitteln zu.“
Druck auf Agrarmärkte
Das, sowie die Verunsicherung, wie es mit dem Coronavirus weitergeht, wirkt auf die Agrarmärkte:
- Fleisch: In China stocken Transporte, Schlachtung, aber auch Wiederaufstockung der Schweinebestände aufgrund von Transportbeschränkungen und Mitarbeiter-mangel. Die Verbraucherpreise für Schweinefleisch sind in den letzten drei Wochen um 6,5 % angezogen, berichtet Welt-online. Das treibt die Preise in Deutschland, solange die Abfertigung in den chinesischen Containerhäfen halbwegs reibungslos läuft. Auf der anderen Seite könnten Corona-Erkrankungen hierzulande unsere Schlachtbetriebe lahmlegen, warnt Marktexperte Dr. Frank Greshake. Denn die überwiegend ausländischen Mitarbeiter würden bei Corona-Fällen vielleicht zu Hause bleiben oder in ihre Heimat fahren – auch ohne dass amtliche Quarantänemaßnahmen ausgesprochen werden.
- Milch: China ist größter Welthandelspartner für Milcherzeugnisse. Die Rabobank schätzt, dass allein die bisherige 30-Tage-Wirkung des Coronavirus den Milchkonsum in China um 2 bis 4 % auf das Jahr bezogen senken könnte. Hält diese Entwicklung an, dürften Chinas Milchimporte deutlich geringer ausfallen. Zunächst ist der Preisanstieg bei Milchpulver gestoppt, sagt Monika Wohlfarth, Zentrale Milchmarkt Berichterstattung (ZMB). Dadurch sind die Preise für Milchprodukte an der Handelsplattform Global Dairy Trade zuletzt gesunken. Die neuseeländische Molkerei Fonterra, die sehr stark auf den Export ausgerichtet ist, hält ihre Prognose für den Milchpreis dennoch stabil. Auch in Europa gibt es Effekte. So sieht Eckhard Heuser vom Milchindustrie-Verband die gesperrten Gebiete in Italien mit Sorge: „Auch hier wird es eher noch schlimmer, als dass wir Erleichterung sehen.“
- Weizen, Raps, Soja: Die Weizenkurse sowie die Raps- und Sojamärkte sind durch das Coronavirus unter Druck geraten, meldete das agrarfax Ende Februar.
- Pflanzenöle: Speziell die Märkte für pflanzliche Öle leiden unter den möglichen Folgen des Virus, sagt Heiner Wurm von der Landwirtschaftskammer NRW. Die Leitnotierung Palmöl habe zuletzt deutlich nachgegeben. Eine Erholung sei nicht in Sicht, da die Nachfrage aus dem asiatischen Raum zu gering sei.
- Holz: Etwa die Hälfte des bundesweit angefallenen Fichtenschadholzes und große Teile der eingeschlagenen Buchen gingen in den vergangenen Monaten in Seecontainern nach China. Das gerät ins Stocken. Viele Exporteure haben das Verladen des Holzes eingestellt oder stark eingeschränkt. Besonders für den Fichtenmarkt bedeutet das zusätzliche Absatzprobleme, die voraussichtlich auch in den nächsten Monaten bestehen bleiben. Zusätzlich sind auf den chinesischen Holzlagerplätzen große Mengen europäisches Fichtenstammholz vorhanden.
- Rohöl, Diesel: Die Preise für Diesel und Heizöl sind relativ niedrig. Die gebremste Weltwirtschaft durch das Coronavirus senkt die Nachfrage nach Rohöl um 400.000 Barrel pro Tag, schreibt das agrarfax. Das wäre der niedrigste Verbrauch seit knapp zehn Jahren.
Weniger Globalisierung?
Gabriel Felbermayr glaubt, dass die Folgen des Coronavirus zu einem Umdenken bei Managern von Wirtschaftsunternehmen führen. Und zwar, „dass wir hier nachhaltig wahrscheinlich wieder etwas mehr Produktion nach Europa bringen, dass die Wertschöpfungsketten etwas kürzer werden und die Globalisierung ein Stück zurückgehen wird“, sagte er im Deutschlandfunk.
Ob das auch für die Landwirtschaft kommt, wird sich zeigen. Eckhard Heuser ist skeptisch: „Nach der letzten Infektionskrankheit SARS hat hier auch niemand neue Fabriken gebaut und den China-Import reduziert. Zudem sind unsere Wertschöpfungsketten bei Milcherzeugnissen schon kurz.“
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