Bis 70 000 € pro Standort?

Bis zu 70  000 €/Jahr für Windkraftstandorte verspricht eine Anzeige in der landwirtschaftlichen Fachpresse. Was steckt denn dahinter?

Johannes Lackmann und Heinz Thier, beide seit Jahren in Westfalen-Lippe als Berater in der Windbranche tätig, ärgern sich seit geraumer Zeit über eine Annonce, die regelmäßig in der landwirtschaftlichen Fachpresse erscheint.

„Suche Windkraftstandorte. Zahle bis 70 000 €/Jahr, Pachtvorauszahlung 20 Jahre möglich“, heißt es da. In der Anzeige steht keine Telefon- oder Faxnummer. Nur über eine Chiffre-Nummer kann der Leser versuchen, Kontakt aufzunehmen.

Die Anzeige schadet der gesamten Windbranche, sagen Lackmann und Thier. Johannes Lackmann führt seit Jahren die Geschäfte der Westfalenwind GmbH in Lichtenau. Die Gesellschaft betreut etwa 70 Windanlagen im Kreis Paderborn, die fast ausnahmslos als Bürgerwindparks oder in Form einer Genossenschaft betrieben werden.Heinz Thier ist Geschäftsführer der BBWind Projektberatungsgesellschaft mbH in Münster. Seit 2011 hat Thier über 100 Entwicklungsgesellschaften in Westfalen -Lippe beraten und betreut, die nach erfolgreicher Planung heute zumeist als Bürgerwindparks fortgeführt werden.

Firmen aus Eckernförde

Nach Recherchen von Lackmann schaltet ein Herr R. die Anzeige. R. arbeitet offensichtlich eng mit einer Firmengruppe aus Eckernförde bei Kiel zusammen. Die ausgelobten 70 000 € soll es nur unter bestimmten Voraussetzungen geben, hat Lackmann erfahren, zum Beispiel, wenn eine Enercon 141 (4,2 MW) auf dem Standort errichtet wird. „Die E-141 ist derzeit aber noch gar nicht auf dem Markt. Zudem soll der Flächeneigentümer die Pacht erst dann erhalten, wenn die Anlage gebaut wird. In den allermeisten Fällen werden die Landwirte aber kein Geld sehen, weil es für den Standort kein Baurecht gibt“, betont Lackmann.

Reine „Lockanzeige“

Auch Thier ist davon überzeugt, dass es sich um eine reine Lockanzeige handelt. Der Anbieter wolle sich auf Vorrat Flächen sichern. Die Zusage, eine hohe Pacht für den Standort zu zahlen, werde in den Vorverträgen jedoch stark eingeschränkt. „Mit dem Vertrag sichert der Anbieter dem Grundbesitzer keine Planung und erst recht kein Baurecht zu. Das geht ja auch gar nicht, weil die Kommune die Windzone im Flächennutzungsplan erst noch ausweisen muss“, sagt Thier. „Der Grundeigentümer hat zwar einen Vorvertrag in der Schublade, doch er wird im Regelfall keinen Cent Pacht erhalten.“

Doch aus welchen Gründen kann eine Anzeige etwa im Wochenblatt der gesamten Windbranche schaden? Dazu Lackmann und Thier:

Mit dem völlig überzogenen Pachtversprechen in der Anzeige wird in der Bevölkerung und bei den Politikern der Eindruck erweckt, dass sich die Betreiber und die Flächeneigentümer mit der Windkraft eine goldene Nase verdienen. Lackmann: „Wir haben ja nie bestritten, dass die Einspeisevergütung auf sehr guten Windstandorten in den letzten Jahren etwas zu hoch war. Der Gesetzgeber hätte hier schon viel früher auf die Bremse treten müssen.“

Das „Winken mit den großen Scheinen“ schafft nur Neid und Missgunst in den Dörfern. „Erhalten zum Beispiel nur zwei Landwirte die hohe Pachten, ärgern sich die Nachbarn. Sie lehnen dann oft die Windräder vehement ab“, weiß Thier aus Erfahrung.

Besser alle beteiligten

Damit sich die Nachbarn und Anlieger in einem Windgebiet vertragen und weiter gemeinsam ihre Schützenfeste feiern, empfehlen Lackmann und Thier, einen Bürgerwindpark oder eine Genossenschaft zu gründen und den Winderlös gerecht zu verteilen. Thier empfiehlt zum Beispiel Folgendes, wenn Landwirte überlegen, einen Bürgerwindpark zu planen: Eine bestimmte Summe der Einspeisevergütung wird auf die gesamte Fläche in der Windzone ausgeschüttet. Davon entfallen dann 25 % auf die Standorte (plus Wege) und 75 % auf alle Flächen. Thier: „Am Anfang einer Planung weiß ja keiner, wo genau die Windanlagen stehen werden. Unser Modell stellt sicher, dass die Eigentümer der Standorte und die Besitzer der Flächen gerecht beteiligt werden.“

Standortpachten sinken

Für Windanlagen, die ab 2017 genehmigt werden und ans Netz gehen, fällt die feste Einspeisevergütung (etwa 9 Cent) weg. Der Erlös richtet sich dann nach der Ausschreibung, falls ein Bieter zum Zuge kommt. Experten rechnen damit, dass die Windmüller im Binnenland maximal nur noch etwa 7 Cent/kWh erlösen. Auch aus diesem Grund hält Lackmann die in Aussicht gestellten 70 000 €/Jahr für eine Betrugsmasche. „In Zukunft werden die Pachten für die Standorte sinken, nicht steigen.“ Armin Asbrand