Pflanzenbau
Biostimulanzien: Es ist noch ein langer Weg
Landwirte setzen Biostimulanzien bisher ohne eine garantierte Wirkung ein. Eine neue EU-Verordnung regelt Einzelheiten eines künftigen Zertifikates.
Wenn Landwirte heute Biostimulanzien einsetzen, um bei ihren Pflanzen das Wachstum zu fördern, Pilzkrankheiten zu verhindern oder Schädlinge abzuwehren, müssen sie den Angaben der Vertreiber vertrauen, da es entsprechende Zertifikate nicht gibt. Demnächst sollen aber unabhängige Stellen die Wirksamkeit der Präparate überprüfen. Ein Symposium des Industrieverbandes Agrar (IVA) in der vergangenen Woche in Künzell bei Fulda zeigte Möglichkeiten, aber auch noch offene Fragen deutlich auf.
Stark wachsender Markt
Immer mehr Landwirte in Europa hoffen, dass Biostimulanzien Probleme im Pflanzenbau beheben. So lag nach Aussage von Jörn-Fried Johannsen, Vorsitzender der Fachgruppe Biostimulanzien im IVA, der EU-Umsatz 2015 bei fast 580 Mio. €, mit jährlichen Wachstumsraten von 10 bis 12%. Mittlerweile tummeln sich auf dem Markt in Europa etwa 200 Hersteller, davon sind etwa 65% als klein oder mittelständisch zu bezeichnen. Die Innovationskraft dieses Segmentes zeigt sich nicht nur an den laufend neu eingeführten Produkten, sondern daran, dass die Unternehmen durchschnittlich 3 bis 10% des Umsatzes wieder in Entwicklung und Forschung investieren. Bis zur Marktreife dauert es aber zwei bis fünf Jahre.
Demnächst mit Zertifikat
Biostimulanzien umfassen ein breites Spektrum an Substanzen, wie zum Beispiel:
- Algenpräparate (Seetang)
- Mikroorganismen
- Bioidentische und anorganische Stoffe
- Aminosäuren
- Humin- und Fulvosäuren
Bisher gab es für die Biostimulanzien quasi keine Regeln, da sie bisher weder dem Pflanzenschutz- noch dem Düngerecht unterworfen waren. Damit nicht eine ganze Produktgruppe durch einige wenige Scharlatane in Verruf gerät, hat sich der IVA dafür eingesetzt, dass Regeln notwendige Standards definieren, damit sich Landwirte auf Wirksamkeit und Produktsicherheit verlassen können.
Um die Probleme zu lösen, sind die Biostimulanzien in der am 16. Juli 2019 in Kraft getretenen EU-Düngeprodukte-Verordnung aufgenommen worden, wie Markus Huober vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft berichtete. Danach sollen sie die Effizienz der Nährstoffverwertung, die Toleranz gegenüber abiotischem Stress, Qualitätsmerkmale oder die Verfügbarkeit von im Boden oder in der Rhizosphäre enthaltenen Nährstoffen verbessern.
Um die Wirksamkeit und Sicherheit ihres Produktes zu dokumentieren, sollen die Anbieter für das Erlangen des CE-Prüfzeichens zahlreiche Unterlagen den noch zu schaffenden Zertifizierungsstellen vorlegen. Dazu gehört neben vielen anderen der Nachweis, dass Schwermetallgrenzwerte nicht überschritten werden, eine genaue Beschreibung des Produktes, wie es in welchen Kulturen anzuwenden ist. Da einige Mittel unter verschiedenen Bedingungen deutlich abweichende Wirkungen zeigen können, müssen die Anwendungshinweise Angaben enthalten zu: Verfahren der Bodenbearbeitung, chemische Düngung, Unvereinbarkeit mit Pflanzenschutzmitteln, empfohlene Sprühdüsengröße, empfohlener Sprühdruck, Maßnahmen zur Abdriftminderung.
Für mikrobielle Biostimulanzien fordert die Verordnung zusätzlich:
- Angabe aller absichtlich zugesetzten Mikroorganismen so- wie die absichtlich zugesetzten Stämme,
- Konzentration als Zahl aktiver Einheiten je Volumen- oder Gewichtseinheit oder in KBE/g,
- Hinweis: „Mikroorganismen können allergische Reaktionen hervorrufen.“
Praktische Erfahrungen
Nun stellt sich die Frage, welche Erfolge Anwender bisher mit Biostimulanzien gemacht haben.
Dr. Henry Müller, Mitarbeiter der Technischen Universität Graz, erläuterte, dass ein Großteil der Mikrobiome bereits mit dem Samen an die Wurzel gelangen und dort das Wachstum fördern, sie sind häufig zwischen Samenschale und Embryo zu finden. Wenn das Verhältnis zwischen Pflanze und Mikrobiom ausgeglichen ist, benötigen Pflanzen weniger chemischen Pflanzenschutz, da die pflanzeneigene Abwehrkraft wächst.
Sonja Stockmann, Landwirtschaftskammer Steiermark, berät Gärtner. Dabei hat sie die Erfahrung gemacht, dass Biostimulanzien nur dann gute Erfolge bringen, wenn die Pflanzen richtig kultiviert sind, Anbaufehler können sie nicht ausbügeln.
Sie berichtete, dass die Gärtner, die sie betreut, etwa 200 verschiedene Biostimulanzien einsetzen, die aber nicht alle bei jedem Anwender funktionieren. Die Wirkungsunterschiede lassen sich aber häufig nicht restlos aufklären.
Zuhörer berichteten ebenfalls von sehr unterschiedlichen Erfahrungen. Trotzdem ist allen klar, dass der chemische Pflanzenschutz und die Düngung immer strenger reglementiert werden, so suchen Landwirte, Gärtner und Forstbewirtschafter nach anderen Möglichkeiten, ihre Pflanzen nachhaltig zu stärken.