„Besser mit den Landwirten als ohne sie“

Die Grünen-Spitzenpolitiker Robert Habeck und Friedrich Ostendorff sprechen sich für eine neue Debattenkultur in der Agrarpolitik aus.

Die Grünen-Spitzenpolitiker Robert Habeck und Friedrich Ostendorff sprechen sich in einem gemeinsamen Positionspapier für eine neue Debattenkultur in der Agrarpolitik aus.

"Bei kaum einem Themenfeld gehen politische Emotionen so ab wie bei der Landwirtschaft. Am Küchentisch oder auf Mitgliederversammlungen des Bauernverbandes, alle haben Wahrheiten, wenn es um ,die Landwirtschaft’ und um ,die Verbraucher’ geht. Die Urteile und Vorurteile über die jeweils anderen sind festgezurrt, und wenn es sein muss, werden sie im Brust­-ton unerschütterlicher Überzeugung vorgetragen, ausführlich oder knapp, laut oder auch mal in Reimen.“

Mit diesen Worten beginnt ein Papier, das Friedrich Ostendorff, Bundestagsabgeordneter und Agrarsprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, sowie Dr. Robert Habeck, Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein, veröffentlicht haben. In dem Dokument rufen sie dazu auf, Gräben zwischen Landwirten und Grünen zu überwinden.

„Sie haben es satt“

Es werde immer mehr als Problem wahrgenommen, dass Höfe endgültig schließen, heißt es in dem Papier. Die Kinder der Landwirte, bestens ausgebildete Agrarier, wendeten sich ab. „Sie haben es satt, dass die wirtschaftlichen Krisen immer länger und die Hochpreisphasen immer kürzer werden. Ebenso haben sie es satt, bei all dem auch noch ständig mit den Vorwürfen konfrontiert zu sein, die Umweltfrevler der Nation zu sein, das Tierwohl zu missachten und womöglich auch noch an Armut und Flucht in Ländern Afrikas mitverantwortlich zu sein. Wie soll angesichts solcher gesellschaftlicher Gemütslage jemand mit fröhlicher Zuversicht arbeiten?“

Alle Seiten sind gefordert

Gülleeinsatz, Nitrat im Grundwasser, Probleme in der Tierhaltung – diese viel diskutierten Themen löse man „besser mit den Landwirten als ohne sie“, stellen Habeck und Ostendorff fest. Eine weitere Konfrontation könne sich niemand leisten:

„Wir können nicht noch mehr aktive landwirtschaftliche Betriebe verlieren, weil damit die Konzentration der Tierhaltung oder Intensivierung der Flächennutzung, kurz die Industrialisierung der Landwirtschaft noch mehr zunimmt und der ländliche Raum verarmt. Wir dürfen nicht länger sauberes Wasser, gesunde Böden und Artenvielfalt verlieren, weil wir alle auf den Kreislauf des Lebens angewiesen sind.“

Gefragt seien Perspektiven für aktive Landwirte und Neueinsteiger. „Wir bieten Partnerschaften an, damit sie unter Einbeziehung unserer ökologischen Erfordernisse und Anforderungen tragfähige wirtschaftliche Perspektiven entwickeln können. Das schaffen sie nur, wenn sie uns auch als Partner anerkennen und anerkennen können. Sie sind gefordert, wir aber ebenso. Partnerschaft statt Krieg – am Küchentisch und auf der Grünen Woche.“

Gemeinsam seien neue Instrumente zu entwickeln, die Umwelt- und Tierwohlleistungen einen Preis geben und den Bauern ein Angebot für ihre Zukunft machen. „Es ist Zeit, die Hände zu reichen und wo immer möglich gemeinsam anzupacken.“

Versöhnliche Töne statt alter Wortkeulen

Unser Kommentar: Habeck und Ostendorff schlagen versöhnliche Töne an. Das Papier klingt selbstkritisch, nachdenklich – und nachdenkenswert. Aber ob die beiden Spitzengrünen damit frühere Attacken aus ihren Reihen vergessen machen und neue verhindern können, erscheint derzeit fraglich.

„Drogenhändler“, „Brunnenvergifter“, „Tierquäler“ – solche Wortkeulen, die grüne Politiker geschwungen haben, wenn es um Landwirtschaft ging, sind nicht vergessen. Diese Anwürfe haben viele Türen zuknallen lassen – und das, als Landwirte mit Aktionen wie der Initiative Tierwohl in Berlin oder der Havichhorster Erklärung in Westfalen Lösungsangebote entwickelt haben.

Was bringen die Wahlen?

Belastet ist das Gesprächsangebot auch von den bevorstehenden Landtags- und Bundestagswahlen. Jetzt, wo die Umfrageprognosen für die Grünen auf Bundesebene nach unten, ja sogar deutlich in Richtung 5%-Hürde weisen, klingt das Papier dann doch ein wenig anbiedernd. Nur in Schleswig-Holstein, wo der – auf Bundesebene in seiner Partei knapp gescheiterte – Öko-Pragmatiker Habeck den Ton angibt, werden den Grünen bessere Ergebnisse prognostiziert. Wenn es dort und im Bund tatsächlich so kommt, dürfte das die Abkehr von Ideologien und die praxisnahe Suche nach Lösungen erleichtern.

Versöhnungsangebote sollte niemand ausschlagen. Aber sie brauchen Zeit – und mehr als gute Worte. Man darf Habeck und Ostendorff jetzt an ihren Taten messen. Str.