Besamungen mit Weiß-Blauen Belgiern: Mehr Strapazen und weniger Milch

Um die Kälbererlöse zu steigern, besamen Landwirte einige Kühe mit Weiß-Blauen Belgiern. Doch dadurch steigt die Gefahr von Schwergeburten und verfrühten Abgängen.

Die Entwicklung spricht für sich: Die Zahl an Erstbesamungen mit Weiß-Blauen Belgiern (WBB) hat sich von knapp 94  000 im Jahr 2014 auf gut 226  000 im Jahr 2018 verzweieinhalbfacht. Das zeigt eine Auswertung vom Bundesverband Rind und Schwein (BRS). Die meisten Besamungen dürften auf Holstein- und Braunviehkühen erfolgt sein. Die WBB sind von allen Holstein-Besamungen mit Fleischrindersperma mit Abstand am beliebtesten.

Das bestätigt auch Alois Tiex von der Rinder-Union West (RUW): „Seit zehn Jahren fragen Milcherzeuger verstärkt Sperma der Weiß-­Blauen Belgier nach. Wir haben aktuell 15 WBB-Bullen im Angebot.“

Für Dr. Stefan Rensing vom vit (Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung) sprechen wirtschaftliche Gründe dafür: Die Landwirte besamen die genetisch schlechteren Tiere oder die nicht für die Remontierung benötigten Kühe mit WBB. Beim Verkauf der Kreuzungskälber wollen sie höhere Preise im Vergleich zu reinrassigen Holsteinkälbern erreichen.

Mehr Schwergeburten

Allerdings gibt es auch unangenehme Nebenwirkungen, zeigt eine Auswertung. Dr. Rensing hat die Kalbungen aus schwarz- und rotbunten Kühen (keine Rinder) aus dem Jahr 2017 ausgewertet. Der Anteil der Totgeburten bei den WBB-Kreuzungskälbern war mit 5,1 % höher als bei reinrassigen Holsteinkälbern mit 3,7%.

Deutlicher ist der Unterschied beim Kalbeverlauf : Der Anteil schwerer Geburten ist bei WBB-Kreuzungskälbern mit 4,8% dreimal so hoch wie bei reinrassigen Holsteinkälbern. Die Tragezeit der WBB-Kälber ist mit 281,8 Tagen dabei kaum länger als bei Holsteinkälbern (279,5 Tage).Die Geburtsstrapazen wirken offenbar bis in die folgenden Laktationen. Zumindest liegt die Abgangsrate der Mütter von WBB-Kreuzungskälbern in der nachfolgenden Laktation mit 36,1% über der von Müttern mit Holsteinkälbern mit 30,4%.

(Bildquelle: Dr. Rensing)

Weniger Milch

Das reduziert die produzierte Milchmenge. Die mittlere Laktationsleistung aller Mütter von Kreuzungskälbern inklusive der abgegangenen Tiere liegt mit 209 kg Milch unter der Menge der Mütter von reinrassigen Kälbern. Dieser Unterschied liegt nur zum Teil daran, dass die WBB-Mütter ein geringeres genetisches Potenzial haben. Der Kalbeverlauf dürfte die Milchmenge ebenfalls drücken.

Diese Auswertung deckt sich mit den Erfahrungen von Tierarzt Dr. Mark Holsteg vom Tiergesundheitsdienst NRW: „Eine Schwergeburt hat immer negative Auswirkungen auf die Leistung der Tiere, ist mit vorzeitigen Abgängen sowie Geburtsverletzungen verbunden und kann zu späterer Unfruchtbarkeit führen.“ Echte Doppellender, die bei der Geburt im Becken der Kuh stecken bleiben, seien bei Kreuzungen von WBB mit Holsteins aber extrem selten.

Bullen gezielter aussuchen

Dr. Holsteg empfiehlt, WBB-Bullen nur bei mehrkalbigen Kühen einzusetzen und die Geburtsüberwachung 24 Stunden am Tag, 7 Tage pro Woche sicherzustellen, um bei Komplikationen sofort eingreifen zu können. Zudem sollten Landwirte nur WBB-Bullen mit leichten Geburten einsetzen.

Dem stimmt Tiex von der RUW zu: „Betriebsleiter ohne Erfahrung sollten unbedingt nur WBB-Bullen einsetzen, die kleine Kälber vererben. Landwirte mit Erfahrung dagegen auch Bullen, die für den Weiterverkauf noch schwerere Kälber erwarten lassen. Das Angebot der WBB-Bullen ermöglicht diese Auswahl.“ Zudem weist Tiex darauf hin, dass die Milcherzeuger ihre Holsteins auch mit anderen Fleischrinderrassen besamen könnten, mit geringerem Risiko.

Fazit für die Praxis

Mit dem Besamen von Holsteins mit WBB-Bullen können Landwirte die Kälbererlöse im Vergleich zu reinrassigen Holsteinkälbern steigern. Allerdings sollten sie das genau prüfen. Denn bei Kreuzungskälbern besteht die Gefahr, dass die Mütter früher abgehen und weniger Milch geben. Landwirte ohne Erfahrung mit Kreuzungskälbern sollten zunächst nur Fleischrinderbullen einsetzen, die leichte Kälber vererben.

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