Bauern als Risikopuffer?

"Sind die Schweinehalter nur noch der Risikopuffer für die Schlachtunternehmen? Was bedeutet das geplante Freihandelsabkommen TTIP für die heimischen Produzenten? Und seit wann hat der Deutsche Bauernverband eigentlich die Deutungshoheit in den Diskussionen zur Landwirtschaft verloren?“
Die Landwirte aus dem Kreis Steinfurt waren mit vielen Fragen zum Kreisverbandstag des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) am Donnerstag nach Saerbeck gereist, um über die schlechten Erzeugerpreise für Milch und Fleischwaren und das immer strengere Ordnungsrecht zu diskutieren. Mit dem Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, und der Vorsitzenden des Bundesfachausschusses Landwirtschaft und Ländlicher Raum der CDU, Christina Schulze Föcking, standen gleich zwei Kenner der Bundes- und Landespolitik den rund 500 Besuchern Rede und Antwort.

Klagen per Ferndiagnose

Christina Schulze Föcking ließ an der Agrarpolitik von Bündnis90/ Die Grünen in Nordrhein-Westfalen kein gutes Haar. „Früher war es nicht die Fledermaus, sondern der Feldhamster. Was damals der Kuschelerlass war, ist heute das Verbandsklagerecht. Und hieß die Ministerin seinerzeit Höhn, heißt er heute Remmel“, empörte sich die Landtagsabgeordnete.

Wer heute als Tierhalter seinen Betrieb erweitern möchte, müsse mit einer Klage rechnen. Das Verbandsklagerecht habe dazu geführt, dass Landwirte – wie im Falle eines Stallbrandes im Dezember in Altenberge – per Ferndiagnose angezeigt würden. „Steht hier noch das Tierwohl im Vordergrund? Oder geht es um Ideologie?“, fragte die CDU-Politikerin und stellte klar: „Landwirtschaft ist Wirtschaft und eben kein Hobby.“

Kritik am Auftreten des Verbandes

Auch der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, kritisierte die Grünen mit scharfen Worten. „Teile der Grünen reden über Landwirtschaft wie PEGIDA über Ausländer“, zog der Verbandsvertreter einen ungewöhnlichen Vergleich.

Krüsken ärgerte sich vor allem über den „Spagat zwischen weltfremden Anforderungen und Weltmarktpreisen“, dem sich die Landwirte zurzeit stellen müssten. Der Generalsekretär appellierte an die Verantwortung der Schlachter, die Tierhalter nicht im Regen stehen zu lassen. Mit Blick auf den Milchmarkt stellte er klar, dass die aktuellen Preise alles andere als akzeptabel seien. Eine „Milchmarktbeobachtungsstelle“, wie sie der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) fordert, ist in seinen Augen aber schlicht verantwortungslos.

Die Debatte um das geplante Freihandelsabkommen „TTIP“ mit den USA geht laut Krüsken am Kern des Problems vorbei. Die eigentlichen Herausforderungen für die Landwirtschaft ergäben sich durch zum Teil große Kostenunterschiede in der Produktion, aufgrund unterschiedlicher Auflagen. Aufgewühlte Debatten über „Chlorhühnchen“ liefen dagegen ins Leere.

Auf einem guten Weg sieht der Generalsekretär die Initiative Tierwohl. Der Handel hat sich nach seiner Überzeugung klar festgelegt. Da bei der jetzigen Tierwohl-Summe von 65 Mio. € pro Jahr gerade einmal 15 bis 20 % der Betriebe mitmachen können, naht nach seiner Ansicht der Zeitpunkt, an dem die Konzerne Farbe bekennen und Geld ins System nachschieben müssen.

Konfrontiert mit kritischen Anmerkungen zum Auftreten des Verbandes in der Öffentlichkeit, gab sich Krüsken lernbereit. Er verwies aber auch auf die Verantwortung der Landwirte, den Berufsstand mit guter Öffentlichkeitsarbeit nach außen zu repräsentieren.

Düngung erhalten

Der Kreisverbandsvorsitzende Johann Prümers nutzte die Veranstaltung für deutliche Kritik an NRW-Landwirtschaftsminister Remmel und den Entwurf zur Düngeverordnung. Die Berücksichtigung des Phosphors und die Länderöffnungsklauseln im Gesetzesentwurf führten in die falsche Richtung. Statt Kooperation und Vertrauen herrsche zunehmend eine Klima von Misstrauen und Kontrolle.

Prümers hofft, den entstehenden Druck auf die Gülleverwertungskosten durch die Investition in einer Nährstoffverwertungsanlage am Standort des Bioenergieparks Saerbeck kanalisieren zu können. Ein erstes Konzept dazu soll bis Ende Februar vorgelegt werden. Prümers' Fazit:„Die Landwirtschaft im Kreis hat an manchen Stellen Wachstumsgrenzen erreicht. Wir brauchen aber keine Agrarwende, sondern einen lösungsorientierten Umgang mit den Problembereichen.“ mss

Den vollständigen Bericht lesen Sie in der kommenden Ausgabe des Landwirtschaftlichen Wochenblattes Westfalen-Lippe, Folge 3/2015, vom 15. Januar 2015.