Es ist ruhig in dem großen, offenen, lichtdurchfluteten Laufstall. Die Kühe am Fressgitter heben den Kopf, blicken ihre Besucher mit gespitzten Ohren an. Dann wenden sie sich wieder ihrer Silage zu. Die Kiefer machen mahlende Bewegungen. Hinten im Stall sind auf jeder Seite zwei Roboter installiert, also insgesamt vier. In jedem automatischen Melksystem ist eine Kuh zu sehen. Nach ein paar Minuten verlassen die Schwarzbunten die Melkeinheit. Es bildet sich kein Stau. Es gibt keinen Stress. „Diese Ruhe haben wir, seit jede Kuh melken, fressen und liegen kann, wann und wie sie möchte“, lächelt Dieter Meyer.
Landwirtschaft mit Tradition
Seit 400 Jahren gibt es den Betrieb Meyer-Scharringhausen in Kirchdorf, Niedersachsen. So lange werden dort auch schon Kühe gemolken – erst mit Hand, dann im Melkstand und heute an vier Robotern. Zu dem Betrieb gehören 330 zu melkende Kühe und etwa 40 Kälber, das Jungvieh ist ausgelagert.
Meyers bewirtschaften 186 ha landwirtschaftliche Fläche und betreiben eine Biogasanlage mit 190 kW. Sie wird mit 85 bis 90 % Gülle und Mist betrieben. Björn Meyer lebt mit seiner Frau Teresa, seinem Sohn Janno und seinen Eltern Martina und Dieter auf dem Betrieb. Die Arbeit verrichtet er mit seinen Eltern und einem Auszubildenden. Sie sind auf der Suche nach einem weiteren Festangestellten. Teresa Meyer ist Lehrerin.
Mit dem Einstieg von Björn in den elterlichen Betrieb nach der Fachschule bauten Meyers 2013 einen neuen Boxenlaufstall. „Wir wollten etwas unternehmen und in den Betrieb investieren“, erklärte der Jungbauer. Sie integrierten vier Lely-Roboter des Modells Astronaut A4 in den Stall. 2014 gingen die Astronauten in Betrieb. An jedem automatischen Melksystem werden aktuell 52 Kühe gemolken.
Daten sammeln
„Die wichtigste Voraussetzung für den Einsatz von Robotern ist, eine Affinität zu Daten, aber vor allem zu Technik zu haben“, sagt Björn Meyer. „Wer keine Lust hat, sich mit Geräten, Programmen, Handys oder Computern auseinanderzusetzen, sollte seinen Betrieb nicht automatisieren.“ Der hochgewachsene junge Mann wirft einen prüfenden Blick auf sein Handy, streicht mit dem Finger über das Display. Die Astronauten erfassen Milchmenge, -fluss, -temperatur, -farbe und die Leitfähigkeit der Milch. Für die Inhaltsstoffe Fett und Eiweiß bekommt Meyer Annäherungswerte auf dem Computerprogramm oder in der Handyapp von Lely. Über die Zellzahl in der Milch gibt der A4 noch keine Auskunft. Das ist nachrüstbar, aber momentan nicht gewünscht.
Trotz der Roboter melken Martina und Dieter Meyer morgens und abends im alten Melkstand. „Wir müssen keine Kühe für die Roboter aussortieren“, schmunzelt die blonde Frau und zuckt mit den Schultern: „Häufig kommen dann die tretenden Tiere zu uns.“ Normalerweise sind unpassende Zitzenstellung, -länge und Euterform K.-o.-Kriterien für Roboterbetriebe. Der 14-er-Fischgrätenmelkstand dient aber hauptsächlich dazu, die empfindlichen Frischmelker zu melken und genau zu beobachten. „Wenn wir sie zweimal täglich in der Hand haben, ist der Blick auf den Gesundheitsstatus der empfindlichen Tiere einfach noch besser“, erklärt Martina Meyer. In dem neuen Kuhstall sind nur die Leistungsgruppen untergebracht, weder Kranken- oder Abkalbebuchten noch Kälberställe.
Euterentzündungen erkennen die A4 nicht eher oder später als das Ehepaar im Melkstand. Beim Roboter ist die Leitfähigkeit der Milch der einzige Parameter, der auf eine Entzündung hinweist. Beim Melken der Kennerblick der Landwirte. „Im Schnitt sind wir wohl gleich gut“, urteilt Dieter Meyer.
Wichtige Voraussetzung für die automatischen Melksysteme ist, die Euterhaare regelmäßig abzuflämmen und die Schwanzhaare zu kürzen. Das kombinieren Meyers mit der Klauenpflege alle fünf Monate.
Bis zum zweiten Dürresommer 2019 melkte der Betrieb 11.000 kg pro Kuh und Jahr. Aktuell, durch die schlechtere Futterqualität melkt die Familie im Schnitt 10.400 kg Milch. Meyers haben die Kühe in Gruppen unterteilt: Färsen und Mehrkalbskühe stehen getrennt. „Im Schnitt geht jede Kuh 3,2-Mal am Tag zum Melken und gibt jedes Mal 10 bis 12 kg Milch“, erklärt der Junior. Pro Melkung bekommen sie maximal 2 kg Kraftfutter, täglich höchstens 5 kg. „Die Milchleistung hat sich mit den Robotern um etwa 1000 kg gesteigert“, weiß der Junglandwirt. „Wir haben jetzt den Luxus, dreimal täglich oder öfter melken zu können. Wir haben uns die Leistung mit der Technik erkauft.“
Alle zwei Stunden füttern
Seit Juli 2019 gehört auch der Fütterungsroboter Vector von Lely mit zwei Mischwagen zum Betrieb. Dafür bauten Meyers eine neue Lagerhalle mit den Maßen 12,5 x 25 m. Hier werden alle Futterkomponenten in Blöcken gelagert. Björn Meyer hat den Vector so programmiert, dass er genau weiß, in welchem Fütterungsfeld welches Futtermittel liegt und den Mischwagen mit dem Fütterungskran selbstständig belädt. Kraftfutter und Mineralfutter werden außen vor der Halle in großen Silos gelagert und automatisch mit in die Ration gemischt. Die Mischwagen können alle drei Ställe befahren. Sie werden über Eisenschienen in bzw. auf dem Boden geführt.
„Wir haben die Halle extra so platziert, dass die Roboter sofort in den ersten Stall gelangen und von dort in den neuen Laufstall. So ist die Gefahr gering, dass äußere Einflüsse den Automaten aufhalten“, erklärt Björn Meyer. Bevor der Vector im vergangenen Jahr auf den Betrieb kam, schob der Anschieberoboter Juno von Lely das Futter an. „Es standen Ersatzinvestitionen an und wir überlegten, wie wir in Zukunft optimal füttern können. Dafür kamen entweder ein Selbstfahrer oder ein Fütterungsroboter infrage“, erklärt der Junglandwirt. „Außerdem wollen wir unseren Betrieb weiter automatisieren, also entschieden wir uns für den Vector.“ Lely musste es sein, da das Betriebssystem bereits auf dem Betrieb integriert ist. Gerade bei Systemen verschiedener Firmen ist es schwierig, Schnittstellen für die Daten zu finden.
Die automatische Fütterung schafft in den Augen von Familie Meyer klare Vorteile:
- Häufiges Füttern: Der Vector mit den beiden Mischwagen macht derzeit ungefähr 112 Mischungen am Tag. Die Ställe sind in 24 verschiedene Bereiche (acht Gruppen) unterteilt. Im Durchschnitt füttert der Roboter alle zwei Stunden bei einer Gruppe und schiebt das Futter stündlich an.
- Genaues Füttern: Der Greifer schätzt das Futtergewicht bereits beim Anheben, gewogen wird es dann vom Mischer nach dem Einladen. Außerdem gleicht er kleine Ungenauigkeiten in Folgemischungen aus.
- Weniger Futterverluste: Die Futterreste haben sich um die Hälfte reduziert.Ruhigere Kühe: Der Pansen-pH-Wert ist ausgeglichen, die Tiere haben eine einheitliche Ration vorliegen. Der Kuhverkehr ist stressfrei.
- Freie Zeiteinteilung: Alle drei bis vier Tage müssen die Futterkomponenten in der Halle aufgefüllt werden.
„Noch ist es zu früh, um wirklich sagen zu können, ob wir durch den Vector einen Kostenvorteil haben“, hält sich Björn Meyer bedeckt. Gerade nach dem trockenen und heißen Sommer ist es logisch, dass die Kühe nun eine höhere Futteraufnahme haben. „Unsere Fütterung war auch vorher schon gut, wir haben vorher 2,5 h am Tag gefüttert und konnten die Zeit mit dem Roboter um die Hälfte reduzieren“, so der Betriebsleiter. „Die Futterreste haben wir halbiert. Futter ist teuer, auch wenn die Reste bei uns in die Biogasanlage gehen.“
Klare Arbeitseinteilung
Die Arbeitseinteilung bei den Meyers ist geregelt: Der Junior ist für den neuen Stall, die Automatisierung (Melken und Füttern), die Biogasanlage und die Außenwirtschaft verantwortlich. Er ist aber immer morgens und abends in der Kuhherde. Dieter Meyer macht das Herdenmanagement und ist Eigenbestandsbesamer. Zusammen mit seiner Frau steht er morgens und abends im Melkstand. Martina Meyer macht die Kälber und die Buchführung sowie den gesamten Haushalt.
Genug Schnittstellen?
Die Daten von den Melkrobotern kommen alle automatisch in die App von Björn Meyer sowie in das zugehörige Programm am Computer. Die Daten vom Fütterungsroboter werden auch in dem Programm auf dem Computer gespeichert. Hier vernetzen sich die Daten automatisch miteinander und koppeln Informationen. Das funktioniert aber noch nicht bei der App. „Lely sollte für die App mehr Schnittstellen mit dem Vector entwickeln“, erklärt der Junglandwirt.
Insgesamt ist er zufrieden: „Ich habe einen PC, ein Programm und die ganze Herde im Blick.“ Morgens und abends verbringt er etwa 20 Minuten im Stallbüro und überprüft die Daten. Nachrichten zu Störungen oder auffälligen Tieren bekommt er den ganzen Tag über. Der Unterschied zwischen den beiden Systemen: Der Melkroboter erkennt die Einzelkuh, der Fütterungsroboter nur die Gruppe.Für die Zukunft plant Familie Meyer ein konsequentes Umstellen: „In den nächsten zwei bis drei Jahren sollen alle Tiere am Roboter gemolken werden.“ Dafür werden weitere Roboter benötigt.
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