Wochenblatt: Herr Ruffer, wie will die neue Bundesregierung Familien und andere Steuerzahler entlasten?
Die Bundesregierung will die Bürger in den nächsten Jahren steuerlich nicht höher belasten. Das ist ein gutes Signal. Jeweils nach zwei Jahren will der Bund den Einkommensteuertarif mit Blick auf die kalte Progression prüfen und anpassen. Zudem will Berlin den Solidaritätszuschlag, der 5,5 % der Einkommensteuer ausmacht, ab 2021 schrittweise abschaffen. Damit will man die Steuerzahler um etwa 10 Mrd. €/Jahr entlasten.
Von weiteren Verbesserungen dürften Gebäudebesitzer und Vermieter profitieren. Damit mehr frei finanzierte Mietwohnungen insbesondere in den Ballungsregionen entstehen, will der Bund bis Ende 2021 befristete Sonderabschreibungen einführen. Zusätzlich zur linearen AfA (2 % der Herstellungskosten) soll der Investor über vier Jahre 5 % pro Jahr abschreiben dürfen. Auch die energetische Gebäudesanierung will der Bund entweder über einen Zuschuss oder steuerliche Maßnahmen fördern. Dabei will man dem Antragsteller ein Wahlrecht einräumen.
Wochenblatt: Wie beurteilen Sie das geplante, neue Baukindergeld? Welche Hürden wird es hier geben?
Das Baukindergeld verdient aus meiner Sicht die Note 1 im Koalitionsvertrag. Denn die meisten Kinder von Bauernhöfen und viele junge Familien in den Dörfern schaffen sich Wohneigentum an. Sie können die neue Liquiditätsspritze sehr gut gebrauchen, wenn zum Beispiel erst noch ein teurer Bauplatz gekauft werden muss. Das Baukindergeld soll als Zuschuss von 1200 € je Kind über einen Zeitraum von zehn Jahren gezahlt werden. Gefördert werden soll der Erwerb einer Immobilie, egal, ob man zum Beispiel ein neues Einfamilienhaus baut oder eine Bestandsimmobilie erwirbt. Das Baukindergeld soll flächendeckend bis zu einer Einkommensgrenze von 75 000 €/Jahr zu versteuerndem Jahreseinkommen und zusätzlich 15 000 € pro Kind gewährt werden. Eheleute, die drei Kindern haben, können demnach über ein Haushaltseinkommen bis zu 120 000 € verfügen, ohne dass die Förderung wegfällt.
Wochenblatt: Könnte es beim Baukindergeld, wie auch bei anderen Fördermaßnahmen, eine Stichtagsregelung geben?
Davon gehe ich aus. Wir wissen derzeit nicht, wann das Gesetz in Kraft tritt, möglicherweise schon in diesem Herbst, vielleicht aber auch erst Anfang 2019. Vor Inkrafttreten des Gesetzes darf der Bauherr oder Wohnungskäufer keinen Bau- oder Kaufvertrag unterschreiben. Deshalb sollten Bau- oder Kaufwillige jetzt die Füße stillhalten und abwarten, bis das neue Gesetz in Kraft getreten ist.
Wochenblatt: Welche Änderungen plant Berlin bei Besteuerung der Kapitaleinkünfte? Müssen Sparer künftig mehr für vereinnahmte Zinsen zahlen?
Das Thema ist komplex und innerhalb der großen Koalition umstritten. Laut Koalitionsvertrag soll die Abgeltungsteuer auf Zinserträge (25 % plus 5,5 % „Soli“ plus eventuell Kirchensteuer) wegfallen, vorausgesetzt, der Bund und die Länder bauen bis dahin einen automatischen Informationsaustausch zwischen den Banken und der Finanzverwaltung auf. Das bedeutet: Die Banken sollen den Finanzämtern unaufgefordert und jedes Jahr die jeweiligen Kapitaleinkünfte ihrer Kunden mitteilen.
Falls dieser Informationsaustausch tatsächlich kommt, was nicht sicher ist, wird es für die meisten Sparer in Zukunft teurer. Denn sie müssen ihre Zinserträge oberhalb des Sparerfreibetrages – 801 €/Jahr für Alleinstehende, 1602 €/Jahr für Eheleute – mit ihrem individuellen Steuersatz versteuern. Das sind im Regelfall oft 35 bis über 40 %. Zu den Einkünften gehören die Zinsen von Sparkonten, Festgeldkonten, Anleihen und Ähnlichem, aber keine Dividenden von Aktien oder Ausschüttungen von Aktienfonds.
Wochenblatt: Was müssen die Besitzer von Aktien oder Aktienfonds befürchten?
Nach derzeitigem Stand nichts, Dividenden und realisierte Kursgewinne etwa beim Verkauf von Aktien oder Aktienfonds will der Bund weiter mit der Abgeltungsteuer von 25 % plus Soli belegen. Insgesamt ergibt das einen Steuersatz einschließlich der Kirchensteuer von knapp 28 %.
Bereits seit Anfang 2018 werden die Investmentfonds neu besteuert. Alle diese Fonds werden jetzt steuerlich gleich behandelt. Die bisherigen Unterschiede von in- und ausländischen, ausschüttenden und thesaurierenden Fonds entfallen. Deutsche Fonds müssen nun zum Beispiel wie ausländische Fonds von deutschen Dividendenerträgen 15 % Körperschaftsteuer abführen.
Eine weitere wichtige Neuerung: Für Fonds, die vor 2009 gekauft wurden, galt bislang ein Bestandsschutz auf alle künftigen Kursgewinne. Der ist weggefallen. Anleger müssen alle realisierten Gewinne, die ab 2018 anfallen, versteuern. Allerdings hat der Gesetzgeber einen hohen Freibetrag von 100 000 € pro Anleger eingeführt.
Wochenblatt: Sollten Kapitalanleger bereits heute mit Blick auf die künftige Besteuerung etwas ändern?
Vor hektischen Verkäufen oder Zukäufen etwa von Aktien rate ich grundsätzlich ab. Erst einmal sollten wir abwarten, welche Neuerungen am Ende tatsächlich im Gesetzblatt stehen. Der geplante automatische Informationsaustausch zwischen den Banken und Finanzämtern zum Beispiel ist umstritten, unter anderem aus Gründen des Datenschutzes. Finanzexperten rechnen frühestens Ende 2019 mit steuerlichen Änderungen in diesem Bereich.
Wochenblatt: Was raten Sie grundsätzlich Bäuerinnen, Landwirten sowie Altenteilern, die demnächst Geld anlegen möchten?
Nun, ich bin kein Hellseher. Wie sich die Zinsen am Kapitalmarkt und die Börsen weltweit entwickeln, kann niemand vorhersagen. Irgendwann kommt sicher auch wieder ein Börsencrash.
Den Lesern des Wochenblattes verrate ich gewiss nichts Neues, wenn ich dies empfehle: Das eigene Vermögen möglichst breit streuen („nie alle Eier ins gleiche Nest“), die richtige Balance zwischen Risiko und Sicherheit finden, dem Bankberater nicht blind vertrauen, Aktien oder Aktienfonds nur kaufen, wenn Sie mindestens fünf bis zehn Jahre auf das eingesetzte Geld verzichten können.