Arbeitgeber bald entlastet?

Oberlandesgericht (OLG) Hamm entscheidet Bußgeldverfahren wegen Verstoß gegen Aufzeichnungspflichten zugunsten eines Landwirtes aus Lippe.

Wer hätte das gedacht – ein Landwirt aus Lippe hat sich in einem Bußgeldverfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm gegen die Staatsanwaltschaft und das Hauptzollamt durchgesetzt.

Der Arbeitgeberverband der Westfälisch-Lippischen Land- und Forstwirtschaft (WLAV) hat den Fall juristisch begleitet.

Ein Arbeitgeber aus Lippe hatte im Januar 2015 ein Bußgeldverfahren initiiert, um die Frage zu klären, ob ein Landwirt für seine versicherungspflichtig Beschäftigten die Dokumentationspflichten nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz erfüllen muss.

In diesem Punkt gab es im Vorfeld zum Mindestlohngesetz heftige Diskussionen zwischen dem Gesamtverband der land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA) und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS).

Der Hintergrund

Seit Januar 2015 gilt bundesweit ein Mindestlohn von 8,50 €/Std. (ab 2017 8,84 €/Std.). Um Landwirte und Gärtner während einer Übergangszeit vor zu hohen Lohnkostensteigerungen zu schützen, hatten die Tarifpartner (GLFA und IG Bauen Agrar) 2014 einen Mindest-Entgeldtarifvertrag abgeschlossen. Darin wurde ein Mindestlohn bis Ende 2017 vereinbart. Das BMAS hatte den Tarifvertrag nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz für allgemeinverbindlich erklärt. Aufgrund dieser Erklärung vertreten Ministerin Andrea Nahles und das Hauptzollamt bislang die Auffassung, dass Landwirte und Gärtner die Aufzeichnungspflicht nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz und nicht nach dem Mindestlohngesetz erfüllen müssen.

Was bedeutet das?

In § 19 Arbeitnehmer-Entsendegesetz ist festgelegt, dass die Arbeitgeber Beginn, Dauer und Ende der täglichen Arbeitszeit der Mitarbeiter spätestens bis zum siebten Tag des auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufzeichnen müssen, und zwar auch für versicherungspflichtig Beschäftigte.

Nach dem Mindestlohngesetz muss der Arbeitgeber dagegen nur für die geringfügig Beschäftigten (kurzfristig beschäftigte Saison-AK und 450-€-Kräfte) die umfangreichen Aufzeichnungen nachweisen. Für die versicherungspflichtig Beschäftigten gilt, dass die Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz nur dann aufzuzeichnen ist, wenn sie über acht Stunden pro Tag hinausgeht.

Schon in erster Instanz vor dem Amtsgericht Detmold hatte der Arbeitgeber Recht bekommen. Die Staatsanwaltschaft hatte sodann Beschwerde beim OLG Hamm eingelegt. Die Hammer Richter haben in ihrem Beschluss festgestellt, dass § 19 Absatz 1 Arbeitnehmer-Entsendegesetz (Aufzeichnungspflichten) sich nur auf das Bauhauptgewerbe und das Baunebengewerbe bezieht. Da der Arbeitgeber aus Lippe kein solches Gewerbe betreibt, bestand auch keine Dokumentationspflicht nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Zudem bestand auch keine Aufzeichnungspflicht nach dem Arbeitszeitgesetz, da der Mitarbeiter des Arbeitgebers nicht mehr als acht Stunden pro Tag arbeitet.

Zügig in Praxis umsetzen

Der GLFA hat die zuständigen Bundesminister sowie die Generalzolldirektion aufgefordert, den bestandskräftigen Beschluss des OLG Hamm zu respektieren und die Prüfpraxis des Zolls zu ändern. Die politische Entscheidung kann jedoch Wochen, unter Umständen sogar noch Monate dauern.

Das Verbandsgebiet des WLAV ist identisch mit dem Geschäftsgebiet des OLG Hamm, in dem der rechtskräftige Beschluss wirkt. Deshalb dürfte die Gefahr eines Bußgeldverfahrens für Arbeitgeber, die ihre Aufzeichnungspflicht nicht nachkommen, gering sein. Auf jeden Fall können sich Landwirte und Gärtner, die einen Bußgeldbescheid erhalten, jetzt mit guten Argumenten zur Wehr zur setzen. Marion von Chamier/As