Antibiotika-Einsatz halbiert

Innerhalb von fünf Jahren ist der Einsatz von Antibiotika durch Tierärzte um 51 % gesunken. Zwar wurden mehr Reserveantibiotika eingesetzt, aber nicht bei Schweinen und Geflügel. Dazu ein Kommentar von Anselm Richard.

Innerhalb von fünf Jahren ist der Einsatz von Antibiotika durch Tierärzte um 51 % gesunken. Zwar wurden mehr „Reserveantibiotika“ eingesetzt, aber nicht bei Schweinen und Geflügel.

Die pharmazeutische Industrie und der Großhandel haben im vergangenen Jahr deutlich weniger Antibiotika an Tierärzte in Deutschland abgegeben. Wie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) am vergangenen Mittwoch mitteilte, ging 2015 die Gesamtmenge der an Veterinäre ausgereichten Antibiotika im Vergleich zum Vorjahr um 400 t oder um 32 % auf 837 t zurück. Im Vergleich zu 2011, dem ersten Erfassungsjahr, ergibt sich sogar ein Minus von 869 t oder 51 %.

Kommentar:

Echt erfolgreich

Die Fakten sind klar: Den Tierhaltern und Tierärzten in Deutschland ist es gelungen, den Einsatz von Antibiotika glatt zu halbieren – innerhalb von fünf Jahren. Das ist ohne Wenn und Aber positiv zu sehen und widerlegt die These, Landwirte seien nicht zu Veränderungen bereit, wenn die Gesellschaft danach verlangt.
Selbstkritisch ist bestenfalls zu fragen, warum dies nicht früher geschehen ist. Gravierende Probleme mit Therapienotständen und dahinsiechenden Tieren gibt es offenbar auch mit dem niedrigeren Einsatzvolumen von Antibiotika nicht. Im Endeffekt mindert das aber den Erfolg nicht. Gut gemacht!
Jetzt ist es an der Zeit, dass auch in der Humanmedizin und bei der Heimtierhaltung genauer hingeschaut wird. Denn auch das zeigen die Einsatzzahlen der Antibiotika-Datenbanken: Gerade die vielgescholtene Schweine-, Mastkälber- und Geflügelhaltung, die fast komplett mit dem Q+S-Antibiotika-Monitoring überwacht wird, hat einen wichtigen Beitrag geleistet: Der Einsatz der sogenannten Reserveantibiotika – Fluorchinolone und bestimmte Cephalosporine – ist allein binnen eines Jahres zusammengerechnet um fast 15 % gesunken. Es stimmt also nicht, dass dort „Allerweltswirkstoffe“ wie Tetrazyclin einfach durch Reserveantibiotika ersetzt wurden.
Fraglich ist nur, wo diese Stoffe geblieben sind. Eigentlich bleiben als Gruppe nennenswerter Größe nur Milchkühe – oder eben Reitpferde, Hunde und Katzen. Es ist Zeit, auch den Heimtierbereich genauer zu durchleuchten.
Anselm Richard

"Spitzenreiter" Penicilline

Die höchsten Abgabemengen entfielen 2015 laut BVL - wie in den vergangenen Jahren – auf Penicilline mit rund 303 t und auf Tetrazykline mit 221 t, gefolgt von Polypeptidantibiotika (Beispiel: Colistin) mit 82 t, Sulfonamiden mit 73 t und Makroliden mit 53 t.

Regionaler Schwerpunkt

Die größte Abgabemenge verzeichnete das BVL für die Postleitzahlregion 49, die die Bereiche Osnabrück, Melle, Ibbenbüren, Lingen, Meppen und Cloppenburg umfasst. Auch dort wurde allerdings im Vergleich zu 2011 ein Rückgang um mehr als ein Drittel auf 314 t registriert. Auf diese stark von der Tierhaltung geprägte Region entfällt allein ein Drittel des Antibiotika-Absatzes an Tierärzte in Deutschland. Der „49“ zugeordnet werden aber auch die Medikamente, die die in dieser Region ansässigen Veterinäre anschließend auf landwirtschaftlichen Betrieben in einer anderen Postleitzahlregion anwenden oder abgeben, beispielsweise in Westfalen oder im Raum Oldenburg.

Tierärzte sehen Erfolge

Der Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) zeigt sich erfreut über die weiter gesunkenen Antibiotikamengen. „Das zeigt den Fortschritt in den Bemühungen der Tierärzte, den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung vor dem Hintergrund der Problematik von Resistenzen zu senken“, erklärte bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder. Außerdem sei die Abgabe von für die Humanmedizin wichtigen sogenannten Reserveantibiotika mit rund 2,3 % der Gesamtmenge erneut sehr gering gewesen, betonte Moder.

Wie der Tierärzteverband unter Verweis auf aktuelle Daten des privatwirtschaftlichen Monitorings der QS Qualität und Sicherheit GmbH betont, ist die vom BVL ermittelte Zunahme der kritischen Wirkstoffe für das Jahr 2015 nicht nachvollziehbar; vielmehr sei das Gegenteil der Fall. „Damit ist das Argument, dass Tierärzte auf die kritischen Antibiotika ausweichen, vom Tisch“, stellte der bpt-Präsident fest.

DBV will strengere Regeln

Wie der Deutsche Bauernverband (DBV) feststellt, konnte der Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung weiter optimiert werden. Allerdings kritisierte der Verband, dass es zum Vergleich und zur Abschätzung der Resistenzgefährdung keine verlässlichen Antibiotikadaten im humanmedizinischen Bereich gebe. Eine vollständige Transparenz sei aber notwendig, um die nationale Strategie zur Eindämmung von Antibiotikaresistenzen zum Erfolg zu führen.

Indes bezeichnete der Agrarsprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Friedrich Ostendorff, die gestiegenen Abgabemengen von Reserveantibiotika als einen gefährlichen Trend. Das Arzneimittelgesetz müsse geändert werden, damit der Einsatz von Reserveantibiotika bei Tieren nur noch in klar erkennbaren Ausnahmefällen möglich sei. AgE/ri

Die genauen Abgabemengen finden Sie im aktuellen Wochenblatt Ausgabe 32/2016 auf Seite 16.