„Agrarpaket wäre schlimmer Fehler“
Beim Agrarpaket befürchten die Landwirte in der Hellwegbörde, dass die Berliner Vorschläge zum Insektenschutz der Vogelwelt mehr schaden als nutzen. Außerdem gefährde der Aktionismus ihre Betriebe.
Das Agrarpaket darf so nicht kommen. Vor allem das „Aktionsprogramm Insektenschutz“, auf das sich Bundesumweltministerin Svenja Schulze und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner geeinigt haben, muss dringend überarbeitet werden. In der jetzigen Form hätte es für die Landwirte, aber auch für den Natur- und Artenschutz fatale Folgen. Davon sind Josef Lehmenkühler, Hubertus Beringmeier und Josef Schreiber zutiefst überzeugt. Die WLV-Kreisverbandsvorsitzenden aus Soest, Paderborn und dem Hochsauerlandkreis waren in der vergangenen Woche auf den Hof Westerfeld gekommen, um die Tragweite der Regierungsvorschläge für die Praxis zu verdeutlichen.
Markus Westerfeld und seine Frau Christina mästen auf dem Betrieb in Bad Westernkotten 400 Bullen. Der Betrieb bewirtschaftet rund 150 ha Acker und ein wenig Grünland. Angebaut werden 60 ha Silomais (nach Winterzwischenfrucht), 60 ha Weizen sowie jeweils etwa 15 ha Triticale und Wintergerste.
Der Betrieb ist Mitglied der Wasserkooperation, die Nährstoffbilanzen der vergangenen drei Jahre weisen niedrige Stickstoff-Überhänge von im Mittel 13 kg N/ha aus und die Humusbilanzen sind – auch dank des regelmäßigen Wirtschaftsdüngereinsatzes – positiv. Westerfeld hat freiwillig etliche Gewässerrandstreifen angelegt und in diesem Jahr mit etwa 0,5 ha Acker an der Aktion „Blühendes Band durch Bauernhand“ der Stiftung Westfälische Kulturlandschaft teilgenommen. „Wir gehen verantwortungsbewusst mit Umwelt und Natur um und sind stets aufgeschlossen für Verbesserungen“, beschreibt der Betriebsleiter seine Arbeit.
Konsequenzen für die Praxis
Auch deshalb ärgert er sich über die Berliner Vorschläge zum Insektenschutz: Diese sind fachlich unsinnig, bringen für den Artenschutz mehr Nach- als Vorteile und überdies die landwirtschaftlichen Betriebe in Bedrängnis, lautet die Einschätzung des Praktikers.
Was Westerfeld meint, ist Folgendes: 80 ha, also mehr als die Hälfte seiner Ackerflächen, liegen im FFH- bzw. Vogelschutzgebiet Hellwegbörde. 9 ha sind sogar als Naturschutzgebiet ausgewiesen, weil sie an ein Niedermoor grenzen. Durch die geplanten Insektenschutzregeln mit Verzicht auf Herbizide und Insektizide rechnet er mit rund 30 % schlechteren Erträgen bei Getreide und Silomais. Verschärfend kommt noch hinzu, dass die Betriebsflächen im Einzugsgebiet eines „Roten“ Grundwasserkörpers liegen. Dort muss Westerfeld künftig 20 % weniger düngen. „Dann verunkrauten die Bestände wegen des Herbizidverbotes. Und Kamille, Fuchsschwanz & Co. zehren ‚fröhlich‘ von dem knappen Stickstoff. Trotz guter Böden gehören vernünftige Ernten damit wohl der Vergangenheit an“, befürchtet der Landwirt. Außerdem macht er sich Sorgen um die Strohqualität, wenn die Getreidebestände kaum noch sauber zu halten sind. Der Bullenmäster benötigt aber jedes Jahr rund 60 ha gutes Getreidestroh für seine Tiere. Die neueren Ställe auf dem Hof sind nämlich als Zweiflächenbucht konzipiert: Im Fressbereich sorgen Betonspaltenelemente für den nötigen Klauenabrieb. Der Liegebereich wird eingestreut. „Das ist gut fürs Tierwohl und die Bullen danken es uns mit sehr guten Leistungen“, sind Markus und Christina Westerfeld von der Haltungsform überzeugt. Wenn einwandfreies Stroh jedoch künftig aufgrund des Agrarpaketes zur Mangelware wird, konterkariert das die Tierwohlanstrengungen.
Der Betrieb Westerfeld ist indessen kein Einzelfall: Im Kreis Soest sind etwa 48 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche vom Agrarpaket betroffen. Im Kreis Paderborn schätzt Hubertus Beringmeier den Anteil auf rund 20 % und im Hochsauerlandkreis liegen 16 % in Vogel- bzw. Naturschutzgebieten.
Ein „Schuss nach hinten“
In der Hellwegbörde arbeiten Bauern und Naturschützer bislang kooperativ und erfolgreich zusammen. Das hilft den dort vorkommenden Offenland-Vogelarten wie Rohr- und Wiesenweihe, Kiebitz, Feldlerche und Wachtelkönig, beschreiben Lehmenkühler und Beringmeier die Situation. Die Landwirte in der Region beteiligen sich rege an Vertragsnaturschutzmaßnahmen und schützen damit die Gelege bedrohter Arten, erklärt der Soester WLV-Kreisgeschäftsführer Burkhard Schröer. Dies ist aber in der Vergangenheit immer unter der Zusage erfolgt, dass die Landwirte unter Beachtung der guten fachlichen Praxis ihre Feldfrüchte bedarfsgerecht düngen und die Pflanzen falls notwendig gegen Krankheiten oder Schadinsekten schützen können.
Wenn das Agrarpaket greift, ist es mit einer sach- und fachgerechten Landwirtschaft jedoch vorbei, befürchten die Bauern. Auf den Flächen im Naturschutzgebiet wäre Schluss mit Herbiziden und de facto auch mit den meisten wirksamen Insektiziden. Bei den FFH- und Vogelschutzgebieten droht im Prinzip das Gleiche. Hier sieht der Berliner Entwurf zwar Ausnahmeregelungen vor. Verlässliche Planungen sind für die Landwirte jedoch auf dieser Basis nicht mehr möglich. Bei immer mehr Auflagen ist letztlich die Zukunft der Betriebe in Gefahr.
Mehr Mais als logische Folge
In den meisten Fällen wären die Landwirte wohl gezwungen, die Fruchtfolge zu verengen, da sie Kulturen wie den Raps kaum noch gesund halten könnten, erklärt Josef Lehmenkühler. Die logische Folge wäre ein höherer Maisanteil, da sich diese Frucht noch am ehesten mechanisch mit Hacke und Striegel sauber halten lässt.
„Was eine mehrfache mechanische Unkrautbekämpfung für die Gelege der zu schützenden Vögel bedeutet, kann sich allerdings jeder selbst ausmalen“, verdeutlicht Markus Westerfeld das Problem.
Und das betrifft nicht nur die Ackerbauern in Soest und Paderborn. Ein Herbidzidverbot wäre auch für Grünlandbetriebe fatal, weiß Josef Schreiber: Dann wird beispielsweise die Ampferbekämpfung mehr als schwierig. Außerdem würde auf den im Sauerland generell schon eher knappen Ackerflächen kein Getreide mehr, sondern überwiegend Mais angebaut. Mit ihrem politischen Aktionismus erweisen Frau Schulze und Frau Klöckner der Artenvielfalt einen Bärendienst!