Ab 50.000 € am Pranger?

Magazin „Stern“ gewinnt vor OVG NRW: Düsseldorf soll Namen von Landwirten mitteilen, die von 2002 bis 2004 EU-Agrarzahlungen über 50.000 € erhalten haben.

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land NRW in Münster hat am 1. März 2011 (Az. 8 A 2861/07) entschieden, dass das Düsseldorfer Landwirtschaftsministerium (MKULNV) einer Journalistin des „Stern“ Auskunft über Namen, Betriebsnummern und Anschriften der Personen zu erteilen hat, die 2002 bis 2004 EU-Agrarzahlungen von mehr als 50.000 €/Jahr erhalten haben, einschließlich Angabe der Höhe der Fördersumme und Herkunft der Mittel. Jedoch hat das Ministerium zuvor die Betroffenen anzuhören.

Somit haben nach Schätzungen des Ministeriums etwa 300 bis 400 Betriebe in NRW, die von 2002 bis 2004 entsprechende Zahlungen erhalten haben, in den nächsten Wochen damit zu rechnen, dass sie über den Direktor der Landwirtschaftskammer als Landesbeauftragten zu der beabsichtigten Veröffentlichung angehört werden.

Öffentliches Interesse?

Das OVG NRW wertet die Agrarzahlungen als „Umweltinformationen“ im Sinne des Umweltinformationsgesetzes, die grundsätzlich zu veröffentlichen seien. Jedoch sei der Antrag der Journalistin abzulehnen, soweit durch das Bekanntgeben der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch Interessen der Landwirte erheblich beeinträchtigt würden. Dies gelte nur dann nicht, wenn die Betroffenen entweder der Veröffentlichung selbst zustimmen oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiege.

Stimmen also die Landwirte zu, werden ihre Zahlen veröffentlicht. Lehnen sie ab, müssen sie angeben, warum sie eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Interessen befürchten. Das MKULNV hat in diesem Fall das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der Informationen gegen das private Datenschutzinteresse des Betroffenen abzuwägen. Entscheidet das Ministerium gegen den Landwirt, der seine Daten nicht veröffentlicht sehen möchte, kann der Betroffene Rechtsmittel einlegen.

Der WLV bietet seinen Mitgliedern Unterstützung an, wenn sie im Anhörungsverfahren ihre Stellungnahme abgeben.

Zwei weitere Verfahren

Am 1. März 2011 hat das OVG NRW zwei weitere Verfahren zu Agrarzahlungen entschieden (Az. 8 A 3357/08 und 8 A 3358/08). Einmal ging es um den Antrag eines „Stern“-Journalisten gegen die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) auf Mitteilung derjenigen Empfänger von Agrarzahlungen, für die die BLE selbst Zahlstelle ist. Im zweiten Fall ging es um einen Antrag von Greenpeace gegen das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV) auf Mitteilung der bundesweit 20 größten Empfänger von Agrarzahlungen. Das OVG NRW hat beide Klagen in gleichen Sinne wie den eingangs geschilderten Fall entschieden.

Die Bedeutung der OVG-Entscheidung geht über die Agrarzahlungen von 2002 bis 2004 weit hinaus. Eigentlich hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) durch Urteil vom 9. November 2010 entschieden, dass die allgemeine Veröffentlichung der Agrarzahlungen rechtswidrig sei; daraufhin hatte das BMELV die Internetseite sofort gesperrt. Derzeit berät die EU-Kommission über eine Novellierung des Rechts der Veröffentlichung der Agrarzahlungen. Mit einem ersten Vorschlag ist im Herbst 2011 zu rechnen.
Aufgrund der OVG-Entscheidung ist damit zu rechnen, dass sich das Düsseldorfer Landwirtschaftsministerium nun jährlich dem Begehren ausgesetzt sieht, nach einer Anhörung der Betroffenen und einer Abwägungsentscheidung jedenfalls die jährlichen Empfänger von Agrarzahlungen über 50 000 € mitzuteilen. Dies betrifft aber nur die natürlichen Personen. Juristische Personen fallen nicht unter den Datenschutz, ihre Zahlungen werden nach wie vor im Internet veröffentlicht. Hubertus Schmitte, WLV