Fangfrage: „Würden Sie den teilmobilen Schlachtanhänger auch ohne Förderung anschaffen?“ Würde Markus Helbig dies bejahen, wäre er raus – Raus aus dem Förderprogramm. „Denn Mitnahmeeffekte darf es nicht geben“, erklärt Jürgen Sons vom Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV). Für Fleischermeister Helbig rechnet sich die Investition in die regionale und tierwohlgerechte Schlachtung nur mit der Förderung. Ohne die finanzielle Unterstützung hätte er seinen Plan, endlich wieder selbst Rinder zu schlachten, zu den Akten legen müssen.
Gesetze fordern Veränderung
Noch liegen 400 000 € der ursprünglich 500 000 € des Landesgeldes bereit, die es in Anhänger, Ausrüstung, Marketing und Beratung rund um die (teil-)mobile Schlachtung von Nutztieren in Bezug auf mehr Tierwohl zu investieren gilt.
Gerne möchte auch Markus Helbig aus Tönisvorst, Kreis Viersen, von der 40 %igen Förderung profitieren. Seit 1955 schlachtet er in seinem Betrieb, mittlerweile in dritter Generation, Schweine und Rinder. Doch 2018 änderten sich die gesetzlichen Anforderungen für die Fixierung der Rinder beim Bolzenschuss. „Wir haben keine Betäubungsbox, in der wir den Kopf des Rindes fixieren könnten“, fasst Markus Helbig sein Dilemma zusammen. Ein Umbau der kleinen Schlachtstätte, in der wöchentlich etwa zehn Schweine geschlachtet wurden, ist nicht möglich. Rinder schlachtete Markus Helbig nur ein bis zwei in der Woche. Zur Betäubung befestigte der Metzger sie am Bodenring.
Weide- oder Hoftötung, Kugel- oder Bolzenschuss, voll- oder teilmobil?Wer das Fleisch seiner Tiere vermarkten will, der muss sie gewerblich, sprich in einer EU-zugelassenen Schlachstätte, schlachten. Eine Hausschlachtung ist nicht zulässig – Weide- und Hoftötungen hingegen schon. Eine Weidetötung mit Kugel- oder Bolzenschuss ist bei Tieren, die ganzjährig in Freilandhaltung leben, zulässig. Die Feuerwaffe darf demnach nicht nur zur Betäubung eingesetzt werden, sondern auch zum Tod führen. Für diese Form der Tötung sind neben einer Ausnahmegenehmigung auch ein Sachkundenachweis nach Tierschutz- und Waffenrecht vorzuweisen. „Bei den notwendigen Ausbildungen und Lehrgängen kann es pandemie- und nachfragebedingt aktuell zu erheblichen Wartezeiten kommen“, weist Sons auf einen limitierenden Faktoren hin. Er empfiehlt, die Internetrecherche nach
„Lehrgängen und Prüfungen zur Erlangung der Sachkunde nach §4 Tierschutz-Schlachtverordnung und nach Art 7 EU Verordnung 1099/ 2009“.
Bei Tieren, die nicht ganzjährig im Freien gehalten werden kann die Hoftötung mit Bolzenschuss durchgeführt werden. Grundsätzlich ist beim Betäuben mit dem Bolzen immer eine Fixierung unverzichtbar.
Hof- und Weidetötung sind teilmobile Schlachtverfahren. Bei der vollmobilen Schlachtung erfolgen nicht nur das Fixieren, Betäuben und Töten der Tiere auf dem Haltungsbetrieb, sondern auch die nachfolgenden Schritte des Ausnehmens, Aushäutens und Viertelns. Der Trailer muss über eine Kühleinheit verfügen und eine komplette EU-Zulassung als Schlachstätte haben. Bei der teilmobilen Schlachtung muss der ausgeblutete Körper zur weiteren Verarbetung binnen 45 Minuten zur stationären Schlachtstätte transportiert werden. Ab Juli 2021 soll voraussichtlich die (teil-)mobile Schlachtung für Schweine möglich und die maximale Fahrzeit auf 2 Stunden erweitert werden.
Beratung anfragen
Auf die Möglichkeit, Rinder teilmobil zu schlachten kam Markus Helbig Anfang des Jahres. Ein Landwirt fragte eine Hausschlachtung bei ihm an. „Dort habe ich gesehen, wie angenehm ruhig eine Schlachtung sein kann, wenn das Tier nicht vorher transportiert werden muss“, berichtet der 50-Jährige. Er informierte sich über die Möglichkeiten, Tiere direkt beim Landwirt vor Ort zu schlachten. Bei seinen Recherchen stieß er auch auf das Förderprogramm des Landes NRW. Kurzerhand vereinbarte er ein erstes Beratungsgespräch mit Jürgen Sons, dem Fachgebietsleiter für Regionale Vermarktung und Förderung beim LANUV.
Kurzinfo: Förderprogramm „Tierwohl“Das Land NRW will zügig besserer Haltungs- und Schlachtbedingungen für Tiere umsetzen, um den Tierhaltern eine Perspektive zu geben, den gesellschaftlichen Erwartungen in diesem Bereich gerecht zu werden.
Das wird gefördert: Zuwendungen können für Investitionen im Bereich der (teil-)mobilen Schlachtung für Nutztiere inklusive vor- und nachgelagerter Tätigkeiten und Ausstattung sowie Beratungsgebühren, die in einem direkten Zusammenhang mit der Durchführung der Investition stehen, gewährt werden.
Förderfähig ist: Antragsberechtigt sind kleinst-, kleine und mittelständische Unternehmen der Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse mit Sitz und Investitionsstandort in NRW. Diese Voraussetzungen müssen erfüllt sein:
- Die Investition muss den Hygiene- und Tierschutzvorschriften entsprechen und zulassungsfähig sein (Art. 4 VO 853/2004)
- Bei Erweiterung eines Schlachtbetriebs muss eine EU-Zulassung vorliegen
- Falls notwendig: Ausnahmegenehmigung und Sachkundenachweis nach Tierschutz- und Waffenrecht für den Weideschuss,
- Antragsteller muss sich an Evaluierungsmaßnahmen beteiligen (Interviews, Vor-Ort-Besuche),
- Offenlegen der Förderung nach De-minimis der vergangenen Jahre.
Laufzeit der Förderung: Die Investition ist bis zum 28.02.2022 abzuschließen.
Höhe der Förderung: 40 % der förderfähigen Ausgaben, maximal 40 000 €
Hier gibt es Informationen: Die
Verwaltungsvorschrift zur „Förderung von speziellen Investitionen zum Tierwohl in Unternehmen der Land- und Ernährungswirtschaft“ nach dem NRW-Corona-Konjunkturprogramm beinhaltet alle Details. Im Rahmen des
"Netzwerk Fokus Tierwohl" finden außerdem verschiedene Online-Veranstaltungen zu mobilen Schlachtverfahren statt:
15. Juni 2021, 14-16 Uhr: "Mobile Geflügelschlachtung – ein Zukunftsmodell?"16. Juni 2021, 20-21.45 Uhr: "Teilmobile Rinderschlachtung – ein Zukunftsmodell?"17. Juni 2021, 20-22 Uhr: "Mobile Schweineschlachtung – ein Zukunftsmodell?" Fach- und Sachkunde nötig
„Auf den ersten Blick bringt Herr Helbig alle Voraussetzungen mit, die es braucht, um einen erfolgreichen Antrag zu stellen“, gibt Sons eine erste positive, aber vollkommen unverbindliche Einschätzung ab. Er meint die notwendige Sachkunde, über die der Antragsteller verfügen muss. „Soll das Tier auf der Weide nicht mit dem Bolzenschuss betäubt, sondern auf der Wiese geschossen werden, ist eine Ausnahmegenehmigung sowie ein Sachkundenachweis nach Tierschutz- und Waffenrecht erforderlich.“, formuliert Sons die weiteren Anforderungen an Interessenten. „Bei den notwendigen Ausbildungen und Lehrgängen kann es pandemiebedingt und aufgrund der großen Nachfrage aktuell zu Wartezeiten kommen“, weist Sons auf einen der limitierenden Faktoren hin. Er empfiehlt Interessenten, sich im Internet nach „Lehrgänge und Prüfungen zur Erlangung der Sachkunde nach §4 Tierschutz-Schlachtverordnung und nach Art 7 EU Verordnung 1099/ 2009“ umzuschauen.
Förderung für Marketing
Bei Markus Helbig sind diese Fortbildungen nicht notwendig. Er will die Tiere wie gewohnt mit dem Bolzenschuss betäuben und anschließend vor Ort ausbluten lassen. Mit Hilfe des Schlachtanhängers plant er dann den Schlachtkörper zu seiner EG-zugelassenen Schlachtstätte in Tönisvorst zu bringen, um sie dort zu zerlegen. Die Gesamtinvestition für den Anhänger zur teilmobilen Schlachtung inklusive der Ausgaben für Marketingmaßnahmen belaufen sich auf rund 35 000 €. Im Rahmen des Förderprogramms wären auch Anhänger für die mobile Schlachtung förderfähig. Wer alle weiteren Arbeitsschritte vor Ort durchführen will, muss mit deutlich höheren Kosten, von mehr als 250 000€ rechnen. „Die 40 % Förderquote ist auf eine maximale Investition bis 100 000€ begrenzt“, erklärt Jürgen Sons die Regeln.
Veterinäramt einbinden
Das Förderprogramm richtet sich nicht nur an Verarbeiter, sondern auch an Landwirte, die durch (teil-)mobile Schlachtung ihren Beitrag zu mehr Tierwohl leisten wollen. „Wer überlegt, in die Schlachtung einzusteigen, der sollte sich vorab intensiv mit dem zuständigen Veterinäramt auseinandersetzen“, lautet die Empfehlung von Jürgen Sons. Denn jede Behörde formuliert die Anforderungen je nach gewünschter Schlachtpraxis unterschiedlich. Manche Formulierung in der Förder-Verordnung wirkt sperrig und wenig anwenderfreundlich. Davon hat Markus Helbig sich nicht verunsichern lassen. Gemeinsam mit Jürgen Sons arbeitete er die elf-seitige Verwaltungsvorschrift inklusive der Antragsformulare durch. Er erhielt Antwort auf seine offenen Fragen in Bezug auf das Verfahren. „Für uns gehört es zum Prozedere mit dem Antragsteller zusammen die Verordnung Stück für Stück durchzugehen. Die Erfahrung zeigt, dass die Sorge vor dem ganzen Papierkram danach schon deutlich kleiner ist“, fasst Jürgen Sons sein Tun zusammen. Doch die Unterstützung des Beraters hat Grenzen: „Sobald der Antrag eingereicht ist, darf ich nichts mehr tun“. Die strikte Aufgabentrennung zwischen Beratung und Bewilligung im Landesamt hat den Vorteil, dass Berater Jürgen Sons stets die Brille der Betriebe aufsetzen kann und umfassend unterstützen darf.
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