In den vergangenen Jahren richtete sich die Kritik an der Nutztierhaltung zumeist gegen die Bedingungen in den Schweine- und Geflügelställen. Mittlerweile hinterfragen Teile der Gesellschaft aber auch die bisherige Art der heimischen Milcherzeugung.
Kuh und Kalb trennen?
Welche Aspekte hier besonders in der Diskussion stehen und welche Herausforderungen das für die Praxis bedeutet, erklärten Dr. Sebastian Hoppe von der Landwirtschaftskammer NRW und Helmut Stuck von der Molkerei Hochwald kürzlich anlässlich der Landwirtschaftlichen Woche Nordhessen.
- Gesellschaftliche Kritik regt sich insbesondere an der praxisüblichen frühen Trennung der Kuh vom neugeborenen Kalb. Das möchten viele Menschen geändert wissen, ohne eine Vorstellung davon zu haben, welche Konsequenzen damit verbunden sind. Die Umstellung wirkt sich nämlich unter anderem auf Arbeitsanfall, Management und Ökonomie aus. Zudem sind die meisten Ställe für eine kuhgebundene Aufzucht nicht geeignet.
- Auch eine Einzelhaltung der jungen Kälber ist nicht erwünscht, obwohl es dafür gute hygienische Gründe gibt. Deshalb sucht Dr. Hoppe gemeinsam mit seinen Kollegen aus anderen deutschen Lehr- und Versuchseinrichtungen vorsorglich nach Alternativen zum üblichen Kälberiglu. Im Rahmen des Projektes „InnoRind“ wird unter anderem an der frühen Gruppenhaltung von Kälbern gearbeitet – beispielsweise in der Form des „Pair housing“, also der paarweisen Aufstallung.
- Ein weiterer Kritikpunkt ist die ganzjährige Stallhaltung. Bei Befragungen wünscht sich ein Großteil der Verbraucher Milchkühe mit Weidegang. Darauf haben die Molkereien und der Lebensmittelhandel reagiert: Für einen etwas höheren Preis findet sich in fast jedem Supermarktregal mittlerweile Weidemilch.
Tierwohl kostet Geld
Diese und andere Beispiele zeigen, dass die Milchbranche an Lösungen arbeitet, erklärte Helmut Stuck: Wenn die Gesellschaft höhere Haltungsstufen wolle, müsse der Mehraufwand dafür aber auch fair entlohnt werden, sonst machen die Landwirte verständlicherweise nicht mit. Genauso müsse man jedoch die Verbraucherwünsche nach Anpassung und Veränderung ernst nehmen.
Die Kunst besteht nun darin, die berechtigten Interessen beider Seiten bei der Weiterentwicklung der Rinderhaltung zu berücksichtigen. Dabei gilt es, die Verbraucher auch auf emotionaler Ebene zu erreichen, gab Stuck zu bedenken: „Die Menschen sollen schließlich mit gutem Gefühl Milch trinken und Käse essen können.“
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