Kommentar

Kastenstand-Kompromiss: Zeitenwende in der Tierhaltung

Für viele Sauenhalter ist mit dem Beschluss zum Kastenstand das Ende der Fahnenstange erreicht. Der Preis für diesen Kompromiss scheint extrem hoch: Das zeigt auch ein brisantes Zusatzprotokoll zum Änderungsbeschluss.

Nach fünf Jahren Tauziehen um den Kastenstand jetzt ein Ende mit Schrecken: Gruppenhaltung auch im Deckzentrum, Bewegungsbuchten in der Abferkelung, Schutzkorb nur noch für fünf Tage. Dafür hätte man nicht fünf Jahre verhandeln müssen, schimpfen viele Sauenhalter.

Wer aber jetzt den Verbänden und Ehrenamtlern einen Strick daraus dreht, liegt völlig daneben. Die Wahrheit ist: Die Sauenhalter kämpften auf verlorenem Posten. Und mit jeder neuen Runde wurde ihre Verhandlungsposition schwächer.

Was wiegen bei politischen Entscheidungen die wirtschaftlichen Interessen von 7000 Sauenhaltern gegenüber Millionen tierschutzbewegter Facebook-Aktivisten? Und die sind keinesfalls zufrieden mit der achtjährigen Übergangszeit. Den Grünen werfen sie Verrat vor, sodass Robert Habeck eilends versicherte, dies sei erst der Anfang gewesen.

Brisantes Zusatzprotokoll

Dass es an der Tierschutzfront keine Ruhe geben wird, zeigt ein Zusatzprotokoll zum Änderungsbeschluss des Bundesrats. Darin verpflichtet sich die Bundesregierung, noch in dieser Legislaturperiode Vorschläge zu Mindestanforderungen bei Mastputen, Junghennen sowie Elterntieren von Legehennen und Masthühnern vorzulegen. Gleiches gilt für die Anbindehaltung von Rindern.

Vielen Branchenvertretern erscheint dieser Preis für den Kastenstand-­Kompromiss extrem hoch. Die Vorschläge für strengere Vorgaben werden mitten im Bundestagswahlkampf diskutiert. Und es wird in der Debatte mit Sicherheit nicht bei der Anbindehaltung bleiben! Das kann nur nach hinten losgehen, da die Grünen es offensichtlich schaffen, die Union vor sich herzutreiben.

Unkalkulierbare Wagnisse

Für viele Sauenhalter ist mit diesem Beschluss ohnehin das Ende der Fahnenstange erreicht. Wer hat die Nerven für ein aufwendiges und teures Genehmigungsverfahren, dessen Ausgang zudem völlig ungewiss ist. Das Umweltrecht hat sich in den letzten Jahren so verschärft, dass Baugenehmigungen kaum möglich sind, selbst wenn der Tierbestand nicht steigt. Das hat ein Planspiel des Landwirtschaftsministeriums NRW glasklar gezeigt.

Wer will seine vorhande­nen Ställe, die noch gut in Schuss sind, abbrechen, weil die jetzigen Buchtenmaße überhaupt nicht zur neuen Haltungsverordnung passen?Wer will sich auf völlig neue Haltungsverfahren und Stallkonzepte einlassen, für die es bislang weder Blaupausen noch Erfahrungswerte gibt?

Wer eine Millioneninvestition plant, lässt sich ungern auf unkalkulierbare Wagnisse ein.

Und welcher Bänker gibt ein Darlehen für ein Geschäftsmodell, das mit Sicherheit zu deutlich steigenden Produktionskosten führt, während der Mehrerlös in den Sternen steht. Zwar werden Ferkel knapp in Deutschland. Aber die europäischen Nachbarn, die jetzt schon jährlich mit 12 Mio. Ferkel aushelfen, liefern gerne. Sie sind es, die bei gleichbleibenden Kosten von den höheren Ferkelpreisen profitieren.

Wer kann im Deckzentrum für die Arbeitssicherheit garantieren, wo rauschende Sauen im hormonellen Ausnahmezustand unberechenbar sind. Das sieht auch in der Bewegungsbucht nicht anders aus, wo die Muttersauen ihre Ferkel gegen jede Behandlung verteidigen werden.

Mit Hochdruck Lösungen finden

Falls die Politik die Sauenhaltung nicht nur in Sonntagsreden am Standort Deutschland halten will, muss sie schnellstens diese Baustellen lösen – bevor die Sauenhalter ihre Stalltüren für immer schließen.

Nur wenn im Bau- und Immissionsrecht inklusive der TA-Luft deutliche Verbesserungen zugunsten von Bauanträgen mit mehr Tierwohl umgesetzt werden, denken Sauenhalter überhaupt darüber nach, einen Antrag zu stellen. Das ganze muss mit Hochdruck geschehen, denn das Zeitfenster ist mit drei Jahren bis zum Bauantrag eng.

Angesichts der milliardenschweren Investition, die nur die Kosten treibt, aber keinen Mehrerlös bringt, muss die Förderung großzügig ausfallen. Die 300 Mio. € aus dem Konjunkturpaket reichen da nicht aus. Zudem dürfen Betriebe mit gewerblicher Sauenhaltung oder mehr als 2 GV/ha nicht durch das Förderraster fallen.

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