Stürmische Zeiten

Es geht um Einfluss und Geld: Rund 144 Mrd. € umfasst der Jahreshaushalt der EU. Der Druck auf das Budget und die Begehrlichkeiten wachsen. Je weniger Geld es künftig gibt, desto härter wird um die verbleibenden Mittel gerungen.

Es geht um Einfluss und sehr viel Geld: Rund 144 Mrd. € umfasst der Jahreshaushalt der Europäischen Union. Etwa 42 Mrd. € davon sind für Direktzahlungen an die Landwirte sowie für Marktausgaben vorgesehen (Erste Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik), weitere 11 Mrd. € für die ländliche Entwicklung (Zweite Säule).

Diese Größenordnungen gelten bis 2020. Für die Zeit danach werden die Karten neu gemischt. Klarheit besteht derzeit nur in einer Hinsicht: Der Druck auf das Budget und die Begehrlichkeiten wachsen.

Mit dem Brexit fällt das Vereinigte Königreich als einer der großen Nettozahler aus. Das allein sorgt für eine Finanzierungslücke von mehr als 10 Mrd. €. Hinzu kommt die weiter schwelende Schuldenkrise einiger EU-Staaten. Die globale Großwetterlage macht die Verhandlungen nicht einfacher. Sollte US-Präsident Trump Ernst machen und das militärische Engagement für die Verteidigung Europas zurückfahren, könnten schon bald Milliardenbeträge in eine neue gemeinsame Verteidigungspolitik abfließen – ebenfalls zulasten der Agrarausgaben.

Je weniger Geld es in Zukunft gibt, desto härter wird bereits heute um die verbleibenden Mittel gerungen. Umweltministerin Barbara Hendricks hat ihre heftig kritisierte Plakat-Kampagne zum Start der EU-Konsultation zur Zukunft der Agrarpolitik zwar gestoppt. Sie schielt aber weiterhin ganz unverhohlen auf die Agrarzahlungen. Hendricks möchte mit dem Zwei-Säulen-System radikal brechen und stattdessen eine neue Förderstruktur aufbauen – ganz aus der Perspektive des Natur- und Umweltschutzes betrachtet.

Dabei hat sie es eilig. Für den Zugriff auf die Direktzahlungen möchte sie schon jetzt die Weichen stellen: Deutschland soll künftig 15 % statt wie bisher 4,5 % der Gelder aus der Ersten Säule in die Zweite schieben, das Umschichtungsvolumen also mehr als verdreifachen. Aus Sicht der Bauern problematisch ist hierbei, dass dieses Geld zu großen Teilen an ihnen vorbei etwa in Dorfentwicklungs- oder Naturschutzprojekte fließt.

Den Landwirten stehen stürmische Zeiten ins Haus. Gerade deshalb muss sich der Berufsstand darüber klar werden, was er will: Sollen die Direktzahlungen weiter vor allem an die Fläche gebunden werden? Oder geht es auch darum, die Tierhaltung zu stützen und Investitionen für mehr Tierwohl anzuschieben? Was geschieht mit kleineren und benachteiligten Betrieben? Sollen sie mehr Geld erhalten?

Das sind Fragen, auf die der Berufsstand Antworten finden muss. Das Gerangel ums Geld hat längst begonnen. Wenn die Landwirte in den Verhandlungen bestehen wollen, müssen sie sagen, was sie wollen – und nicht nur, was sie nicht wollen.