Meinung

Start frei zum Hürdenlauf

Viele glauben, dass die Bauern 1 Mrd. Euro Dürrehilfe bereits erhalten haben. Richtig ist: Es geht bundesweit "nur" um ein Drittel des Betrages, vor jeder Zahlung werden die Höfe durchleuchtet - und: Bis jetzt ist davon nichts gezahlt worden.

Eine Milliarde Euro wollte Joachim Rukwied, nun werden es 340 Millionen Euro. Die von Bund und Ländern finanzierten Hilfen für dürregeschädigte Landwirte sind auf den Weg gebracht. Wer einen Hilfeantrag stellen möchte, kann sich in NRW schon jetzt bei den Kammerkreisstellen dafür registrieren lassen.

Einfach wird es aber nicht, tatsächlich einen Ausgleich für die Trockenschäden zu bekommen. Theoretisch können bis 50 % des nachgewiesenen Schadens als Beihilfe ausgezahlt werden. Doch wie bei jeder öffentlichen Hilfe gilt es erst einmal, die bürokratischen Hürden zu nehmen. Zwei Regeln prägen das Verfahren im Ganzen:

  1. Wer Hilfen beantragen will, muss nachweisen, dass der Schaden in seinem Betrieb mehr als 30 % der durchschnittlichen Jahreserzeugung aus der Bodenproduktion ausmacht. Bei Marktfruchtbetrieben, die Getreide, Raps usw. regelmäßig verkaufen, wird das im Zweifel nicht schwerfallen. Futterbaubetriebe mit viel Grünland bzw. Silomaisanbau haben dagegen in der Regel keine Verkaufsbelege, anhand derer sich die Vorjahreserträge nachweisen lassen. Sie müssen selbst nachvollziehbare Ertragsdaten liefern.
  2. Ebenso wichtig ist es, die eigene Bedürftigkeit nachzuweisen. Hilfsgelder sollen nicht mit der Gießkanne verteilt, sondern gezielt eingesetzt werden, um eine Existenzgefährdung abzuwenden. Die wird unterstellt, wenn der Schaden größer ist als der sogenannte Cash Flow III im Dreijahresdurchschnitt. Außerdem darf das Einkommen bestimmte Obergrenzen nicht überschreiten und es dürfen höchstens 35 % nicht landwirtschaftliche Einkünfte vorliegen. Ganz wichtig: Kurzfristig verfügbares Privatvermögen muss ebenfalls eingesetzt werden, um den Schaden auszugleichen. Wer über großes Vermögen verfügt, soll keine Hilfe bekommen.

Diese Kriterien und Regeln sind nachvollziehbar. Auch wer Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung beantragt, muss seine Bedürftigkeit nachweisen. Alles andere wäre dem Steuerzahler nicht zu vermitteln. Und doch besteht jetzt die Gefahr, dass Landwirte die Hilfe nicht bekommen, obwohl sie Anspruch darauf hätten. Sei es, weil der Nachweis der Schadenshöhe zu kompliziert ist, sei es, weil sie ihre tatsächliche Bedürftigkeit nicht publik machen wollen.

Weite Teile der Öffentlichkeit haben die Dürrehilfen sowieso schon abgehakt. Sie gehen davon aus, dass „die Bauern ihre Milliarde längst einkassiert haben“. Dass es höchstens um ein Drittel dieser Summe geht und dass vor jeder Zahlung die Höfe akribisch durchleuchtet werden, geht in der öffentlichen Diskussion völlig unter. Man darf gespannt sein, wie viele Landwirte in NRW tatsächlich von der Hilfe profitieren werden.