Meinung

Satte Stadträte

Ausgerechnet Harsewinkel: Der Rat der "Mähdrescherstadt" hat ein Pflanzenschutzmittelverbot auf stadteigenen Pachtflächen beschlossen. Es gilt aber nicht für stadteigenen Grünflächen. Darüber soll im Herbst beraten werden. Das alles wirft Fragen auf.

In der vergangenen Woche hat der Rat der Stadt Harsewinkel in einer turbulenten Ratssitzung ein generelles Pflanzenschutzmittelverbot auf stadteigenen Pachtflächen beschlossen. Landwirtschaftliche Pächter müssen sich nun entscheiden. Entweder sie verzichten auf den Einsatz von chemischen Mitteln – oder sie gehen bei der Flächenvergabe leer aus.

Ausgerechnet Harsewinkel: Es ist leider keine ganz neue Entwicklung, dass Kommunen sich mit zusätzlichen Auflagen für ihre Pachtflächen profilieren. Und in der Summe geht es in Harsewinkel um gerade einmal rund 20 Flächen. Dass aber ausgerechnet die selbsternannte „Mähdrescherstadt“ sich offen gegen die konventionelle Landwirtschaft stellt, ist ein grundverkehrtes politisches Symbol und an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten.

Angesichts von rund 30 Mio. € Gewerbesteuereinnahmen im Jahr sollte man meinen, dass die Ostwestfalen gut davon leben, dass Landwirtschaft nicht mehr mit der Hacke betrieben wird. Umso erschreckender ist das Selbstverständnis, mit dem UWG, Grüne und SPD die Einschätzungen deutscher Zulassungsbehörden und 200 Jahre wissenschaftliche Forschung seit Justus von Liebig mal eben so beiseitewischen.

Das passt, gewürzt mit einer ordentlichen Prise Moralin, gut in eine Zeit, in der sich Otto Normalverbraucher den schmucklosen Steingarten hinterm Reihenhaus mit Unkrautvernichter aus dem Baumarkt sauber hält – und beim Thema Insektensterben mit dem Finger auf die Landwirte zeigt. Mit verantwortungsbewusster Lokalpolitik hat es nichts gemein.

Die satten Stadträte sollten sich fragen, wo das Essen auf ihrem Teller und dem von bald 9 Mrd. Erdenbürgern herkommen soll. Angesichts von immer mehr Menschen auf immer weniger Fläche braucht es gerade in einer Gunstregion wie Deutschland mehr denn je eine nachhaltige, aber intensive Nahrungsmittelproduktion. Die wird es nicht mit einer Landwirtschaft geben, die zu viele Ressourcen verbraucht und die Artenvielfalt dauerhaft schädigt. Aber auch nicht mit einseitigen Schuldzuweisungen und dem Verzicht auf bewährte Beizen und Wirkstoffe.

Rund 40  000 € sind, laut der Harsewinkler CDU, die die Entscheidung einstimmig abgelehnt hat, übrigens im Stadthaushalt für die städtische Unkrautbekämpfung vorgesehen. Im Herbst (!) soll sich der Umweltausschuss mit der Frage beschäftigen, wie die Stadt höchstselbst ihren Pflanzenschutzmitteleinsatz auf den eigenen Grünflächen reduzieren kann. Immerhin: An höheren Personalkosten dürfte der Schritt, angesichts der sprudelnden Gewerbesteuereinnahmen, nicht scheitern.