Kommentar

Rinderhalter: Wo bleibt noch Luft zum Atmen?

Ein Milchviehbetrieb mit 60 Kühen im abbezahlten Stall kann zurzeit noch gut laufen, aber für die nächste Generation reicht es vermutlich nicht mehr. Alle Innovation, alles Eingehen auf gesellschaftliche Wünsche reicht am Ende nicht. Warum nicht?

Es ist alarmierend: Ein gut ausgebildeter, hochmotivierter Landwirt auf einem florierenden Betrieb will aufhören. Er ist gebeutelt von Markt und Politik. Er hat keine Neuerungen gescheut, ist engagiert und vielen Berufskollegen ein Vorbild. Aber nun ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Nicht weil das Geld fehlt, sondern weil ihm Politik und Gesellschaft zu große Sorgen bereiten. Wenn so ein Landwirt aufgibt, wer soll dann auf Dauer durchhalten?

Politik und Gesellschaft lassen die Landwirte im Stich und geben keinen Rückhalt. Das treibt viele in die Verzweiflung. Immer mehr Landwirte plagt das ­Gefühl der Ohnmacht. Dazu die schlechte Marktlage und Futterknappheit durch die Dürre im zweiten Jahr. Einmal abgesehen davon, dass niemand Landwirt geworden ist, um viele Stunden am Tag vor dem Schreibtisch zu verbringen und immer mehr Formalitäten zu erledigen. Die neuen Auflagen zur Nährstoffausbringung werden vielerorts keinen wirtschaftlichen Ackerbau zulassen.

Natürlich wollen Landwirte Fortschritt. Die Betriebe entwickeln sich ständig weiter. Fortschritt ist im Stall und auf dem Acker zu erkennen. Landwirte sind innovativ und einfallsreich. Sie gehen auf veränderte gesellschaftliche Wünsche ein.

Zu beobachten ist trotzdem eine immer größer werdende Kluft zwischen den ganz kleinen Betrieben auf der einen und den Großbetrieben auf der anderen Seite.

Die Mitte fällt nach und nach weg. Dabei sind genau diese Betriebe erwünscht: Familienbetriebe, die zwei Generationen ernähren können und bäuerliche Landwirtschaft betreiben. Von der Politik werden aber Auflagen gemacht, die genau diesen Höfen mit beispielsweise 120 Milchkühen oder 250 Bullen das Wirtschaften unmöglich machen. Die Folge: Die Betriebe müssen massiv wachsen oder gehen in der nächsten Generation in den Nebenerwerb. Ein Milchviehbetrieb mit 60 Kühen im abbezahlten Stall kann jetzt noch gut laufen, aber für die nächste Generation vermutlich nicht mehr ausreichen.

Wenn die Situation sich weiter zuspitzt, beschleunigt sich der Strukturwandel und noch mehr gute Betriebe hören auf.

Gerade junge Menschen fragen sich: Wie geht es weiter? Woher kann man noch Mut nehmen? Viele überlegen: Ist die Landwirtschaft in Deutschland überhaupt zukünftig erwünscht? Wo ist das Vertrauen in die Bauern, die die Bevölkerung ernähren?

Angeblich wollen alle regional essen und Treibhausgase sparen. Dem widerspricht, dass Verbraucher Fleisch aus dem Ausland kaufen. Es ist dringend: Die Regierung muss handeln – und zwar bevor es zu spät ist.

Landwirte denken nicht in Jahres- oder Wahlperioden, sondern in Generationen. Es ist traurig, dass viele Eltern ihren Kindern nicht mehr guten Gewissens raten können, Bauer zu werden. Die Angst um die Existenz macht sich breit.

Abstocken reicht nicht

Fehlendes Futter: Rinderhalter unter Druck

von Alina Schmidtmann

Milchviehhalter Bernd Nannemann aus dem Landkreis Osnabrück zerbricht sich den Kopf, welche Kuh er noch aussortieren kann. Sein Grundfutter reicht nicht. Dabei hat er bereits 45 ha Mais zugekauft.