Kommentar

NRW-Nutztierstrategie: Nur ein erster Schritt

Welche Zukunft hat die Nutztierhaltung in NRW? Die Landesregierung will den Tierschutz stärken und den Landwirten Sicherheit geben. Aber wie im Einzelnen soll das aussehen? Und wie sollen die besonderen Tierschutzstandards finanziert werden?

Immerhin geht es in die richtige Richtung. Das Programm, das Ursula Heinen-Esser und ihr Staatssekretär Dr. Heinrich Bottermann vorgestellt haben, soll sowohl den Tierschutz stärken als auch den Landwirten Sicherheit geben. Das eine geht nicht ohne das andere, und deshalb ist es höchste Zeit für eine Nutztierstrategie.

Mehr als ein erster Schritt ist das „umfassende Maßnahmenpaket“ der Landesregierung aber noch nicht. Eine Tiergesundheitsdatenbank, mehr Kontrollen, Videoüberwachung in Schlachthöfen und strengere Vorgaben für Tiertransporte kommen sicher vielen tierschutzbewegten Menschen entgegen. Aber der eigentliche Knackpunkt bleibt offen: Wie soll die Nutztierstrategie aussehen, die mit Tierhaltern und Tierschutzverbänden verhandelt wird?

Klar ist, dass ohne eine echte Perspektive die Tierhaltung in Nordwestdeutschland vor die Wand gefahren wird. Keine Bäuerin, kein Bauer investiert in neue Ställe, wenn nicht sicher ist, wie lange sie betrieben werden dürfen.

Die Viehzählungsergebnisse sprechen für NRW eine deutliche Sprache. Der Rückzug ist längst in vollem Gange. Innerhalb von fünf Jahren sind 15 % der Schweinehalter „ausgestiegen“, bei den Ferkel­erzeugern mehr als ein Viertel. Und trotz wachsender Tierzahlen pro Betrieb ist auch der Schweinebestand rückläufig, seit 2014 um mehr als 6 %. Die neue Düngeverordnung wird diesen Prozess noch beschleunigen.

Dreh- und Angelpunkt einer Nutztierstrategie ist und bleibt deshalb die Finanzierung. Ursula Heinen-Esser will weder eine Fleischsteuer noch eine höhere Mehrwertsteuer auf Fleisch und Milch. Doch wo ist ihr eigenes Konzept für die Finanzierung? Das wissen doch alle längst: An der Ladentheke sind die wenigsten Menschen bereit, mehr für Lebensmittel auszugeben, weil besondere Tierschutzstandards eingehalten werden. Ohne eine gesicherte Finanzierung hierzulande wird das Fleisch bald überwiegend aus dem Ausland kommen. Bessere Haltungsbedingungen für die Tiere sind damit nicht gesichert.

Wie ein Berufsstand reagiert, wenn er sich von der Gesellschaft missverstanden und gegängelt fühlt, haben die holländischen Bauern gerade vorgemacht: Hunderte Schlepper in Den Haag, 1000 km Stau auf den Straßen. Ein Aufschrei, nachdem im politischen Raum kurzerhand die Halbierung der Viehbestände in den Niederlanden gefordert worden war, und ein starkes Signal an diejenigen, die immer nur weitere Restriktionen ohne echten Dialog fordern.

Richtig ist der Ansatz, die Landwirtschafts- und Tierschutzverbände einzubinden. Das verlangt allerdings Kompromissbereitschaft von beiden Seiten. Und nicht zuletzt muss das Gesamtkonzept auch auf der Bundesebene durchsetzbar sein oder – noch besser – als Blaupause für eine nationale Lösung dienen. In Berlin wird ebenfalls an einer Strategie gearbeitet. Unterschiedliche Modelle je nach Bundesland sind das Letzte, was die Tierhalter jetzt brauchen.