Nach den Demos: Den Schwung nutzen!

Die "Land schafft Verbindung"-Demo hat neuen Schwung in den landwirtschaftlichen Diskurs gebracht. Jetzt sind alle Verbände sowie die Regierungsparteien gefordert, diesen auch zu nutzen.

Ein gewaltiges Signal: In nur drei Wochen schlossen sich mehrere Zehntausend Landwirte und Menschen aus dem ländlichen Raum in Facebook und WhatsApp in der Gruppe „Land schafft Verbindung“ zusammen. Am Dienstag vergangener Woche schlugen sie mit 15.000 Traktoren bundesweit in Innenstädten auf. Aber nicht, um mehr Geld oder Unterstützung zu fordern. Sondern mit dem Wunsch „Redet mit uns – nicht über uns!“.

Gesellschaftliche Risse

Dass Landwirte so eine Selbstverständlichkeit einfordern müssen, ist alarmierend. Es zeigt die tiefen Risse zu Teilen unserer Gesellschaft: Ex­treme Tierrechtler oder Veganer sind zwar in der Minderheit, posaunen aber lautstark ihre Weltansichten heraus, oft mit Unterstützung der ­Medien. Die Landwirte stempeln sie dabei als Wurzel allen Übels ab. Diese Entwicklung nimmt jungen Menschen im ländlichen Raum die Perspektive. Ohne Perspektive können Landstriche veröden – mit allen negativen Konsequenzen.

Bauernverband muss Vorbild werden

Deshalb sollten die Proteste wachrütteln. Der Bauernverband muss sich fragen, warum es ihm nur schwer gelingt, die Sorgen seiner Mitglieder aufzunehmen und in Gesellschaft und Politik zu tragen. Denn die Ziele sind denen von „Land schafft Verbindung“ ähnlich. WLV-Präsident ­Johannes Röring zollt den Organisatoren Respekt und dankt allen Teilnehmern der Demo. Das ist ehrlich. Genauso ehrlich muss jetzt auch die Analyse sein, was der WLV anders machen muss – selbst wenn es wehtut. Damit kann der Verband Vorbild für andere sein.

Warnschuss für Regierung

Die Regierungsparteien sollten die Demo als Warnschuss verstehen. Fraglich ist aber, ob sie das tun. Zwar gab es viel Zuspruch und Solidarität. Doch bereits am Donnerstag zeigte sich die politische Realität. Der Bundestag stimmte über einen Antrag der FDP ab, die im Lichte der Proteste bei den Landwirten punkten wollte. Nur die AfD stimmte zu. CDU/CSU sowie SPD lehnten ab, weil der Antrag von der Opposition kam und sie die Inhalte hinterfragen. Der Antrag scheiterte deshalb. Bei den Landwirten ensteht aber der Eindruck, dass Parteitaktik wichtiger ist als Sachfragen. Das befeuert die Politikverdrossenheit.

Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel jetzt auf einem Landwirtschaftskongress mit Landwirten sprechen will, kann eine Chance sein. Sie hat offenbar erkannt, dass Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) es nicht schaffen, ein Gesamtkonzept für die Landwirtschaft zu entwickeln. Dieses ist aber dringend nötig.

Wie geht es weiter?

„Land schafft Verbindung“ will dazu weiter Druck machen und plant weitere Aktionen. Einfach wird das nicht. Zum einen, weil dem Zusammenschluss die Strukturen fehlen und die Organisation sowie Kommunikation auf Dauer schwierig sind. Und zum anderen, weil einige Teilnehmer deutlich radikalere Proteste fordern.

Die Demo hat neuen Schwung gebracht. Alle landwirtschaftlichen Verbände sowie die Politiker sind gefordert, diesen zu nutzen. Die Landwirtschaft muss wieder in die Mitte der Gesellschaft!

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