Kommentar

Milch: Die Arbeit geht jetzt erst los

36 Seiten umfasst das Papier mit dem spröden Titel "Sektorstrategie Milch 2030". Was bringt es einem Milchviehhalter? Hilft es dem Praktiker im Kuhstall?

Die einen loben die Ergebnisse, die anderen kritisieren sie: Ob die „Sektorstrategie Milch 2030“ seine betriebliche Situation verbessert, kann der Praktiker im Kuhstall aktuell kaum abschätzen.

Auf den ersten Blick enthält das 36-seitige Papier keinen „Kracher“. Vielmehr sind der Ist-Zustand der Milchproduktion sowie Handlungsfelder beschrieben. Dass das genau zwei Jahre gedauert hat, zeigt vor allem eins: Es gibt riesige Meinungs- und Interessenunterschiede zwischen Milcherzeugern und Molkereien, zum Teil auch zwischen den Milcherzeugern selbst sowie zwischen Privat- und Genossenschaftsmolkereien.

Deshalb ist es ein Erfolg, dass sich die Teil­nehmer – mit Ausnahme vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) – auf Kompromisse geeinigt haben. Denn eine gemeinsame Stimme hat immer mehr Wucht als einzelne ­kleine. Das sollte auch der BDM bedenken, dem die Türen weiter offen stehen.

Inhaltlich liefert das Papier bisher aber nur Schlagworte. Damit verbessert sich noch nichts für die Milcherzeuger. Dafür müssen die Verbandsvertreter jetzt konkrete Schritte und Inhalte liefern, vor allem zu den drei großen Themen:

  • Branchenkommunikation: Noch nie war es wichtiger, Verbrauchern die moderne Milchproduktion zu erläutern und zu zeigen, was Milcherzeuger heute schon für Tierwohl, Klimaschutz und Biodiversität leisten. Deshalb soll sich schnell eine neutrale Organisation gründen, die das bundesweit professionell übernimmt. Dafür muss Geld her. Denkbar wäre eine Umlage von 15 Cent pro Tonne Milch. So kämen bis zu 5 Mio. € jährlich zusammen. Damit ließen sich ordentliche Kampagnen finanzieren. Eine Anschubfinanzierung könnte zudem aus anderen Töpfen kommen.
  • Standardsetzung: Längst hat sich der Lebensmitteleinzelhandel zum Quasi-Gesetzgeber entwickelt. Allen Lippenbekenntnissen zum Trotz spielt der Handel seine Marktmacht aus, wo es nur geht. Differenzierung ist ihm dabei extrem wichtig. Das zu ändern, ist schwer. Ein Ansatz könnte aber sein, den Handel bei QM-Milch mit einzubeziehen und gemeinsam einen Basisstandard zu definieren. Und im Idealfall zu vereinbaren, dass es für höhere Auflagen auch verbindliche Preisaufschläge gibt. Kein leichter Weg, aber vermutlich der einzig gangbare.
  • Lieferverträge: Während anfangs die meisten Molkeristen gemauert haben, erkennen nun immer mehr, dass der volatilere Milchmarkt auch angepasste Lieferbeziehungen benötigt. Einzelne gute Praxisbeispiele gibt es bereits, beispiels­weise zu einfachen Festpreisangeboten. Die Branche sollte das ausbauen. Denn Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner hält sich offen, Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung anzuwenden und verbindliche Lieferverträge vorzuschreiben. Das will im Endeffekt niemand, vermutlich nicht einmal die Ministerin.

Die Basis ist geschaffen. Die richtige Arbeit zur Sektorstrategie Milch geht jetzt aber erst los. Die Vertreter sollten jetzt durchstarten – damit auch der Praktiker im Kuhstall etwas davon hat.