Kommentar

Julia Klöckner verkocht Glaubwürdigkeit

Bei einem Kochshow-Auftritt in der Boulevardpresse hat Julia Klöckner kaum ein Fettnäpfchen ausgelassen - und riskiert damit ihre eigene Glaubwürdigkeit.

Kein halbes Jahr ist es her, da hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner mit ihrer Werbekampagne „#Dorfkinder“ ein digitales Eigentor hingelegt (wir berichteten). Jetzt scheint sie das nächste Fettnäpfchen gefunden zu haben. In der Sendung „Kochen mit Lafer“, die für Bild-TV produziert und seit vergangenen Sonntag online abgerufen werden kann, bereitet die Ministerin gemeinsam mit Fernsehkoch Johann Lafer ein 3-Gänge-Menu zu – ohne Berücksichtigung des Corona-Knigge, dafür aber mit Hackfleisch der niedrigsten Haltungsstufe und Sponsoring durch den Supermarktriesen Kaufland.

Das mediale Echo ließ nicht lange auf sich warten: „Schleichwerbung für Kaufland?‘“ fragt die WAZ, vom „Minister-Flop“ schreibt der Westfälische Anzeiger, „Fettnäpfchen-Queen Klöckner“ urteilt SWR3. Was ist dran an der Kritik?

Unwissendes Ministerium

Gleich zu Beginn der Sendung wird durch prominente Platzierung des Hinweises „präsentiert von Kaufland“ sowie einen weiteren Verweis „unterstützt durch Produktplatzierung“ das Sponsoring mehr als deutlich. In einem vorab veröffentlichten Video nimmt Koch Lafer die Zuschauer zudem mit auf seinen Einkaufsbummel durch Kaufland. Distanz der Ministerin zum Supermarktriesen? Für die Zuschauer kaum ersichtlich.

Die BMEL-Reaktion auf den Vorwurf der Schleichwerbung lässt Klöckner kaum in einem besseren Licht dastehen: Weder Ministerin noch Ministerium hätten im Vorfeld der Aufzeichnung vom Kaufland-Sponsoring gewusst. Zur Erinnerung: Erst im vergangenen Jahr sah sich Klöckner wegen fehlender Distanz in einem Video mit Nestlé-Chef Boersch dem Vorwurf der Schleichwerbung konfrontiert. Lerneffekt? Fehlanzeige!

Gerade, weil Klöckner in Sachen Sponsoring kein unbeschriebenes Blatt ist, sollten Presseanfragen besser drei- als zweimal kontrolliert werden – zumal, wenn sie von der Boulevardpresse kommen. Alles andere ist fahrlässig und nagt an der eigenen Glaubwürdigkeit.

Fehlende Weitsicht

Mehr Kratzer bekommt eben diese Glaubwürdigkeit auch durch die verwendeten Lebensmittel. Der gut sichtbare Hinweis auf die „Haltungsstufe 1“ des Hackfleisches mag sich für viele Landwirte wie bloßer Hohn anfühlen. „Einkauf und Warenauswahl erfolgte durch die Produktionsfirma und den Koch“, rechtfertigt das BMEL. So weit, so schlecht. Natürlich erfüllt auch die Haltungsstufe 1 alle gesetzlichen Standards. Dennoch: Auftritte einer Ministerin, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit an die Verbraucher appelliert, freiwillig höhere Standards zu kaufen, sollten besser geplant werden. Und ja: Dazu gehört auch, die medienwirksam zubereiteten Lebensmittel im Blick zu haben. Dies war augenscheinlich nicht der Fall.

Statt den grundsätzlich guten Gedanken, frische Lebensmittelzubereitung in einem Format wie „Lafer kocht“ einem breiten Publikum zugänglich zu machen, verkochen Ministerin und Ministerium mehr und mehr ihre eigene Glaubwürdigkeit.

Fehlender Mundschutz und Abstand bei Klöckner und Lafer setzen dem ganzen nur noch die Krone auf. „Das kannste‘ Dir nicht ausdenken“ fasst ein Nutzer auf Twitter die Show zusammen – und er hat Recht.

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