Erntedank: Zwischen Mut und Demut

Auch wenn die Ernte eher bescheiden ausfällt, gibt es viele gute Gründe, das Erntedankfest zu feiern. Verglichen mit den vielen hungernden Menschen weltweit haben wir allen Grund, dankbar zu sein. Ein Gastkommentar von Ulrich Oskamp, Landwirt und ­Diözesanreferent der KLB im Bistum Münster.

Erntedank – Gott sei Dank!“ Diese Haltung ist in unserer Familie selbstverständlich. Das Erntedankfest gehört für uns zu den besonderen Festen im Jahr. Dem Schöpfer für die Ernte des Jahres zu danken, auch wenn sie eher bescheiden ausfällt, wie in diesem Jahr, gibt es viele gute Gründe. Verglichen mit den vielen hungernden Menschen weltweit haben wir allen Grund, demütig und dankbar zu sein.

Ein Fest für die ganze Familie

Gott sei Dank gibt es in unserem Dorf am Stadtrand von Münster immer noch ein Erntedankfest, gestaltet von der Landjugend. Es findet in der Maschinenhalle des Lohnunternehmers statt und beginnt traditionell mit einem Dankgottesdienst. Daran nimmt unsere ganze Familie, unsere vier erwachsenen Kinder, meine Frau und ich, immer geschlossen teil. Dort trifft man generationsübergreifend viele Menschen aus den Bauerschaften: Haupt-, Zuerwerbs- und Nebenerwerbslandwirte, Pächter und Verpächter und eine wachsende Zahl von Menschen, die in Wohnungen auf den Höfen leben. Verbunden mit der Landwirtschaft fühlen sich an dem Abend alle und man hat das Gefühl, eine Solidargemeinschaft zu sein. Man feiert miteinander, hört „Familiennachrichten“, spricht über Erträge und Preise und freut sich, wenn’s ein gutes Jahr war.

Konkurrenten statt Kameraden

Leider ist von dieser Solidarität den Rest des Jahres über weniger zu spüren. Die noch aktiven Bauern treffen sich selten und sind bis auf wenige Ausnahmen eher Konkurrenten um Pachtflächen – und da­rüber spricht man nicht. Jeder geht seinen Weg. Das war nicht immer so. Überhaupt sind Pachtflächen und Pachtpreise zu einer Existenzfrage geworden.

Wir bewirtschaften einen Rinderaufzuchtbetrieb mit einem hohen Grünlandanteil. Unsere Familie liebt und lebt Landwirtschaft aus Leidenschaft. Wir ­haben den Betrieb gemeinsam entwickelt und teilen uns die Arbeit. Bisher hatten wir auch immer Zeit genug, unseren Betrieb an neue Rahmenbedingungen und den Stand der Technik anzupassen, haben durch unsere Lage eigentlich immer „Tag der offenen Tür“ und ertragen die überbordende Bürokratie.

Die Zukunft der Landwirtschaft

Zukunftsängste hatten wir bisher keine und unsere Kinder wollen den Betrieb weiterführen. Diskutieren liegt uns im Blut. Wie es weitergehen soll mit der Landwirtschaft, ist dabei oft ein Thema. Vielleicht wird unser „Weltmarkt“ ja wieder der Wochenmarkt, so wie es meine Großeltern getan haben. Lösungen gibt’s immer, so unsere Devise.

Dieses Jahr war das ein bisschen anders. Zwei trockene Jahre in Folge haben dem Dauergrünland zugesetzt. Vorräte für ein weiteres Dürrejahr fehlen. Wird der Klimawandel dauerhaft unseren Betrieb verändern? Für einen Augenblick war auch Hofaufgabe kein Tabuthema mehr in unseren Gesprächen.

Warum? Weil bei uns Zweifel aufkommen, ob die Politik überhaupt noch verlässliche Rahmenbedingungen schaffen kann oder will. Wir waren bei der Demo zur Düngeverordnung im April vor dem Münsteraner Dom. Es macht mich wütend zu hören, dass Umwelt- und Agrarpolitik auf Kosten von uns Bauern über ein Jahrzehnt keine Einigung erzielt haben.

Die Tierwohldiskussion und Tierhaltungsauflagen mit unkalkulierbaren Halbwertszeiten kommen hinzu. Am schlimmsten jedoch ist das Bauern-Bashing und die Botschaft „Wir Landwirte sind an allem schuld!“ – jetzt auch noch am Insektensterben, wie aus einflussreichen Teilen unserer Gesellschaft unermüdlich zu hören ist.

Danke sagen tut gut

Das Thema Hofaufgabe war aber schnell abgehakt! Warum? Die meisten Menschen – wir nennen sie ja oft Nichtlandwirte – wissen unsere Arbeit zu schätzen. Das tut gut! Besonders am Erntedanktag hört man das auch mal persönlich. Danke sagen, tut uns allen gut. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch DANKE sagen. Den vielen Ehrenamtlichen, die sich im Berufsstand für uns einsetzen, und allen, die im vor- und nachgelagerten Bereich für gesunde und qualitativ hochwertige Lebensmittel sorgen. Kürzlich habe ich gelesen, dass jeder achte Arbeitsplatz im Münsterland in diesem Bereich angesiedelt ist. So allein sind wir also gar nicht!

Am Samstag sind Bauern und Bischöfe aus dem Nordosten Indiens bei uns auf unserem Erntedankfest in Nienberge. Spätestens dann, da bin ich mir sicher, relativieren sich unsere Sorgen schlagartig.

Demut der Schöpfung gegenüber und Dankbarkeit dafür, dass in unseren Breiten niemand hungern muss, sind für mich Motivation genug, dem Herrgott für das tägliche Brot zu danken und mit Zuversicht in die Zukunft zu schauen. Das wünsche ich uns allen!